174 - Die Katastrophe von Basajaun
Isidor Blagender wollten sich schlagen."
„Ich bin keine Tatern!" Coco begehrte auf. Tatern war ein altertümliches Wort, vom 20. Jahrhundert aus gesehen, für eine Zigeunerin. „Die beiden, Mirko und Rübenhans, haben mich im Wald entdeckt, mir die Kleider vom Leib gerissen und mich angefallen wie wilde Tiere. Ist das die Sitte in Tillys Heer? Ich will sofort zum kommandierenden Offizier gebracht werden!"
„Sie ist nackig im Wald gewesen!" rief Mirko und hob die Schwurhand. „Bei meiner Seel! Sie ist eine Hex', sage ich!"
„Pah!" rief Coco mit erhobenem Kinn. „Gib mir ein Wams, Profoß, damit ich mich bekleiden kann. Ihr solltet euch schämen!"
Der Profoß runzelte die Stirn. Cocos selbstsicherer Ton verwirrte ihn. Er kratzte sich hinterm Ohr und entschied, daß er den Fall weiterleiten müsse. Ob Cocos Aussage nun stimmte, Mirko und Rü- benhans hätten sie ihrer Kleider beraubt, oder die der beiden, konnte und wollte der Profoß nicht nachprüfen.
„Du möchtest sie selber gern haben, Carlo", rief ein dickes Weib aus einem der Zelte. „Bei so einer Schönheit juckt es selbst dich alten Stockfisch."
„Halt dein Maul, Berta, oder ich lasse dich auspeitschen und ums Lager jagen!" fuhr der Profoß sie an. „Du da, gib ihr dein Wams! - Wie heißt du, Weibsbild?"
„Coco Zamis - und ich bin nicht dein Weibsbild." Coco zog sich das nach Schweiß stinkende Wams über. Es reichte ihr bis knapp auf die Schenkel. „Ich stamme aus einer vornehmen Wiener Familie." Coco sagte das absichtlich. In Wien war der Hof des Kaisers, dessen erfolgreichster Feldherr neben Wallenstein Tilly war. Kaiser Ferdinand II., der Herr des Heiligen Römischen Reiches, stand auf dem Höhepunkt seiner Macht. Man sollte ruhig glauben, daß Coco zum Kaiserlichen Hof Beziehungen hätte. Sie mußte sich mit Schlauheit und List über die Runden bringen, bis ihre magischen Kräfte wieder da waren.
„Wien ist weit", murmelte ein Zuhörer. „Hier befiehlt Hauptmann Czersky."
Zu dem brachte man Coco. Anton von Czersky, ein narbengesichtiger Haudegen, hatte das größte Zelt in der Mitte des Lagers. Er saß unter einem Vordach und schimpfte gerade mit dem Regimentsschreiber. Eine rassige Brünette mit drallen Hüften, Barbara Mohr, eine der beiden Dirnen des Hauptmanns, stand aufgeputzt dabei. Das Wort Dirne galt zu der Zeit als ein allgemein gebräuchlicher Ausdruck für ein nichtangetrautes Landsknechtsliebchen ohne abschätzigen Beiklang. „Hundsfott!" brüllte Czersky den Schreiber an. „Das soll man lesen können? Eine Sauklaue hast du, du Stümper! Das ist falsch geschrieben, völlig falsch! Und da ist ein Klecks! Hier noch einer. Und ein Fettfleck! So soll ich meine Befehle gegenüber dem Oberkommando nachweisen? Man sollte dich vierteilen."
„Den Fettfleck habt Ihr selber verursacht, Herr Hauptmann, als Ihr den Erlaß anfaßtet!"
„Was, du widersprichst mir auch noch, Hundskreatur? Da hast du - und da. Hier!"
Der cholerische Hauptmann schlug dem Schreiber seine Stulpenhandschuhe ins Gesicht. Dann bemerkte er die Ankommenden. An Coco blieb sein Blick haften.
„Was ist jetzt wieder? Was hatte der Tumult vorhin zu bedeuten, Meister Carlo?"
Der Profoß berichtete mit dürren Worten, was er vorgefunden hatte. Die Kontrahenten unter den Söldnern vertraten jeweils leidenschaftlich ihren Standpunkt.
„Ruhe!" schnauzte Czersky. Er ging um Coco herum und betrachtete sie, wie jemand ein Pferd abschätzt. Er tätschelte Coco auf die Kehrseite. Am liebsten hätte sie Czersky eine schallende Ohrfeige versetzt. Doch sie unterließ es, es wäre ihr übel bekommen. „Du bist also eine Zamis aus Wien?" „Ja. Kennt Ihr meine Familie? Melchior Zamis ist kaiserlicher Rat."
Coco hatte keine Ahnung, ob der Vorfahr Melchior aus der Hexersippe der Zamis tatsächlich um die Zeit gelebt und was er da getrieben hatte. Es wäre prekär für sie gewesen, tatsächlich auf einen Zamis jener Zeit zu treffen. Aber die Gefahr war gering. Die Zamis-Sippe war zu der Zeit noch gar nicht in Wien aufgetaucht.
Coco bluffte.
„Der Kaiser hat mehr Hofschranzen als ich Haare auf dein Kopf', entgegnete Czersky barsch. „Was treibst du hier? Spionierst du etwa? Was bist du, eine gute Katholikin oder eine elende Ketzerin?" Die Fürsten bestimmten über die Religion ihrer Untertanen. Katholiken und Protestanten bekriegten sich blutig. Nach den entscheidenden Erfolgen der Truppen der Katholischen Liga unter Johann Tserclaes Graf von Tilly und der
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