1741 - Die Shanghai-Falle
Hotel, wo sie sich in einer Lobby wiederfanden, deren Steinboden zwei Farben zeigte. Einmal ein sanftes Orange und dazwischen ein schwaches Grau.
Der Betrieb in der Halle hielt sich in Grenzen. Doch die Lockerheit vieler Gäste war bei Suko und Shao nicht zu spüren. Besonders bei Shao, denn sie schaute sich mehr auffällig als unauffällig um. Vergessen hatte sie den Anschlag nicht, und sie fühlte sich wie ein Mensch, der sich in einem Fadenkreuz befand.
Es war alles normal. Auch das Einchecken ging locker über die Bühne, ein Page stand bereit, um sie zu ihrem Zimmer zu bringen, das im achtzehnten Stock lag.
»Nein, danke«, sagte Shao, »das schaffen wir schon allein.«
Der junge Page verbeugte sich und ging.
Einen Vorteil hatte das Hotel. Es war klimatisiert, und die Anlage funktionierte auch. Zwar waren die beiden keine Freunde von Klimaanlagen, hier aber dachten sie anders.
Sie gingen auf einen der Aufzüge zu und hatten das Glück, sofort hochfahren zu können. Beide standen in der Kabine und schauten sich an.
»Und? Wie fühlst du dich?«, fragte Shao.
Suko hob die Schultern. »Schon ein wenig angespannt.«
»Das wird auch so bleiben. Dabei weiß ich nicht mal, um was es hier genau geht.«
»Das kann ich dir auch nicht so direkt sagen.«
»Und indirekt?«
»Um Rache.«
»An uns?«
»Wohl auch. Dau hat von Gestalten gesprochen, die aus der Hölle kommen.«
»Wobei wir beim Thema wären.«
»Ja und nein.«
»Wieso?«
Suko gab die Antwort erst, als sie die Kabine verlassen hatten. »Die chinesische Mythologie zählt achtzehn Höllen. Für jeden Sündentyp praktisch eine.«
»Was?« Shao schüttelte den Kopf. »Dann können wir uns wohl eine aussuchen, wie?«
»Umgekehrt. Ich gehe davon aus, dass sich eine Hölle uns bereits ausgesucht hat.«
»Super.«
»Sorry, Shao, aber du hättest in London bleiben sollen, was für dich nicht infrage kam.«
»Ja, weil ich auch mal wieder in meine Heimat wollte. Jetzt denke ich darüber nach, ob ich richtig gehandelt habe. Um es behutsam auszudrücken, mir sind schon Zweifel gekommen.«
»Willst du wieder zurück?«
»Nein, jetzt nicht mehr. Wir werden uns eben stellen müssen. Und du bist sicher, dass es mit deiner Vergangenheit zu tun hat?«
»Das sagte Dau Xing.«
»Wir werden sehen.«
Ihre Zimmertür hatten sie erreicht. Der Gang war lang, auch eng. Lampen waren in die Decke integriert und warfen ihre Strahlen auf einen hellgrünen Teppich.
Suko zog die Karte durch den Schlitz. Das grüne Licht flackerte auf, dann konnten sie das Zimmer betreten, dessen Grundriss den meisten Hotelzimmern auf der Welt glich.
Der kleine Flur, rechts das Bad, links der eingebaute Schrank, und am Ende des Flurs öffnete sich das Zimmer. Bett, Schreibtisch, zwei kleine Sessel, die einen runden Tisch umstanden, auf dem eine Vase mit Blumen stand.
Eine Besonderheit gab es trotzdem. Das Zimmer hatte einen Balkon. Durch eine schmale Tür neben dem Fenster konnte man ihn betreten.
Suko stellte die beiden Reisetaschen ab, während Shao die lange Gardine zur Seite zog und sich einen ersten Blick über die Stadt gönnte.
Es gab nicht nur hohe Häuser, die den Ausblick verwehrten. Zwischen ihnen lagen die Schluchten, in denen es zuging wie in einer Ameisenkolonie. Stillstand war nicht vorhanden. Egal, ob sich Fahrzeuge oder Menschen bewegten, die Unruhe auf dem Boden hörte einfach nicht auf.
Shao drehte sich um. »Weißt du, was ich brauche?«
»Ja, eine Dusche.«
»Genau. Aber zuvor packe ich aus.«
»Ich helfe dir.«
Die beiden Reisentaschen waren schnell geleert. Aber jeder von ihnen hing seinen eigenen Gedanken nach. Gelöst oder locker zeigte sich keiner.
»Du denkst an den Anschlag, nicht wahr?«
Shao schaute Suko mit einem etwas verhangenen Blick an. »Ja, daran denke ich. Du nicht?«
»Leider auch.«
»Und ich bin gespannt, wann es uns zum zweiten Mal erwischen wird. Jedenfalls weiß die andere Seite jetzt, dass wir die Stadt nicht verlassen haben.«
Suko lächelte und sagte: »Geh erst mal duschen.«
»Das mache ich auch.«
»Danach bin ich an der Reihe. Man hat das Gefühl, einfach nur zu kleben.«
Shao lachte und ging.
Im Zimmer war es kühl, doch es war keine normale Kühle, wie Suko sie liebte und auch gewohnt war.
Er sah eine Flasche Mineralwasser neben dem Flachbildfernseher stehen, drehte den Verschluss ab und trank einen großen Schluck. Die Flüssigkeit tat ihm gut. Er konnte durchatmen, stellte die Flasche zur Seite und hörte aus dem
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