Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1743 - Digital-Gespenster

Titel: 1743 - Digital-Gespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
Abkürzung für die englischen Worte save our souls. Rettet unsere Seelen."
    „Wenn da nur noch Seelen sind", versuchte ich zu scherzen, „ist wohl nicht mehr viel zu retten."
    Nein, die hohen Herrschaften hatten keinerlei Sinn für Humor. Oder jedenfalls nicht für meine Art von Humor. Bedauerlich.
    „In jedem dieser Fälle handelt es sich offenbar um Notrufe", dachte Geo Sheremdoc nach.
    „Haben wir wirklich nichts Wichtigeres zu tun?" fragte die Erste Terranerin zweifelnd.
    „Mein Instinkt sagt mir...", begann Sheremdoc.
    „Meiner auch", warf ich ein. „An der Sache ist irgend etwas faul. Ich rieche das!"
    „Dein Geruchssinn", bemerkte Sheremdoc mit einem Seitenblick in meine Richtung, „ist nicht gerade das, worauf ich mein Vertrauen setzen würde. Ich werde mich um diese Angelegenheit kümmern, Koka. Und du kommst mit mir!"
    „Key", protestierte ich. „So war das nicht verabredet..."
    Geo Sheremdoc lächelte dieses Lächeln, das ich an ihm ganz besonders wenig ausstehen konnte.
    „Du kennst die Spielregeln", sagte er. Der Mann hatte das Zeug zum Politiker, er liebte es, seinen Mitmenschen seine Macht fühlen zu lassen.
    „Höre ich Widersprüche?"
    Was er in den nächsten Minuten zu hören bekam, in denen ich hinter ihm hertrottete wie ein Schoßhündchen, das eine Wurst spendiert bekommen will, sagte ich sehr leise, aber nicht so leise, daß er es nicht hätte hören können.
    Geo Sheremdoc besaß in dieser weitläufigen Anlage einige Büros, eines davon suchte er auf. Ein kurzes Kommando aktivierte die Syntronik, dann schaltete er eine Verbindung zu NATHAN. Ich durfte meine Geschichten ein zweites Mal erzählen.
    „Mir sind derartige Vorfälle nicht bekannt", ließ sich NATHAN vernehmen. „Alle mir angegliederten oder kooperierenden Syntroniken arbeiten einwandfrei. Fehlermeldungen dieser Art liegen nicht vor."
    Sheremdoc preßte die Lippen aufeinander.
    „Ärgerlich", murmelte er.
    Ich hob die Hand. In meinem Beruf ist man es gewohnt, daß die Leute so gut wie nie die Wahrheit sagen, jedenfalls nicht die volle Wahrheit. Im Laufe der Zeit bekommt man eine feine Witterung für die besondere Art von Sprüchen, hinter denen sich die Leute zu verschanzen versuchen. In aller Regel versuchen sie es erst einmal mit einer verfärbten Wahrheit: keine richtige Lüge, aber eben doch nicht Klartext.
    „Korrektur", hakte ich nach. „Ich frage nicht, ob du oder eine deiner Untergliederungen solche Vorfälle erlebt haben. Vielmehr möchte ich wissen, ob dir solche Fälle als Ereignis berichtet worden sind, auch wenn du keine Vorfälle dieser Art selbst hast beobachten können."
    NATHAN antwortete nicht.
    „Ich autorisiere Orpheus Chambers", sagte Geo Sheremdoc schnell.
    „Antworte, NATHAN!"
    „Entsprechende Meldungen sind an mich weitergegeben worden. Die Aussagen der angeblichen Zeugen konnten aber nicht verifiziert werden."
    Ein kleiner, aber recht bedeutsamer Unterschied. Dieser Blechkumpel verstand es, recht geschickt zu schwindeln.
    „Was ist dein Kommentar dazu?" fragte Sheremdoc.
    „Vermutlich handelt es sich um hysterische Phänomene", gab NATHAN bereitwillig Auskunft. „Die Menschen sind äußerst aufgeregt wegen der bevorstehenden Evakuierung und wegen der Ereignisse um den Hamamesch-Basar."
    Ich leckte mir die Lippen.
    „Wie viele solcher Ereignisse sind dir bis jetzt berichtet worden?"
    wollte ich wissen.
    NATHAN zögerte. Ich starrte auf das Holo, das NATHANS Symbol zeigte; die Syntronik besaß schließlich kein Gesicht.
    NATHAN zögerte? Die größte, schnellste, leistungsfähigste Syntronik, welche die Menschheit besaß, zögerte? Brauchte sie Zeit, sich eine faule Ausrede einfallen zu lassen?
    Ich merkte, daß mir feiner Schweiß ausbrach. Es gab ein paar Dinge, auf die man sich im Leben unbedingt verlassen konnte. Dazu gehörten Steuern, Grippe, der Tod, daß man nach zwei Pullen Schnaps von Shand’ong einen Kater bekam, daß ich mich niemals verlieben würde - und eben NATHAN. Wenn eins davon nicht mehr stimmte, war der Untergang der Welt nicht mehr weit entfernt.
    „Was ist los?" fragte ich leise in Sheremdocs Richtung.
    „Zweitausenddreiundachtzig", antwortete NATHAN in diesem Augenblick.
    Ich schnappte nach Luft. Mehr als zweitausend Fälle?
    „Das hört sich an, als handele es sich um eine regelrechte Massenhysterie", bemerkte Geo Sheremdoc.
    „Dies ist auch meine Interpretation der Phänomene, sofern man dies überhaupt als Phänomen bezeichnen will."
    NATHAN wiegelte ab.

Weitere Kostenlose Bücher