Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1743 - Digital-Gespenster

Titel: 1743 - Digital-Gespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
und letztlich auch einen Mörder.
    Ich benachrichtigte die Polizei; deren Syntron nahm die Meldung entgegen, einen Menschen bekam ich im Moment nicht zu sprechen.
    Wozu auch, es gab nicht mehr viel, was man tun konnte, schon gar nicht für Jerryn Zucor.
    Geblufft hatte er. Ohne eigene Betroffenheit hatte er schlichtweg die Leiden seiner Wähler ausnutzen wollen für seine eigenen Zwecke und Pläne, skrupellos, mitleidslos. Hätte er sich durchgesetzt, wären Millionen weiterer Menschen dank seiner „Hilfe" abhängig geworden von den Hamamesch-Waren.
    Ich empfand kein Bedauern für ihn.
    Statt dessen dachte ich an ein anderes Opfer.
    Ich verließ Zucors Wohnung zögerlich. Ich hatte Angst vor dem, was ich zu tun hatte. Aber ich hatte keine andere Wahl.
    Unterwegs wurde ich zeitweise schneller, aber als ich die Etage erreichte, in der die Familie Grath wohnte, wurden meine Bewegungen wieder langsamer. Wie sollte ich Valerie das erklären? Ihre Mutter war süchtig und davongelaufen, ihr Vater zum Mörder geworden.
    Unwillkürlich blickte ich hinauf zum Himmel. Ein Planet, der alles zerstören würde, sich selbst eingeschlossen, was seinen Weg kreuzte. In diesem Fall vielleicht die beste, gnädigste Lösung.
    Auch die Tür der Wohnung der Graths stand offen. Ich trat geräuschlos ein. Stille.
    Dann ein leises Schluchzen. Valerie.
    Ich holte tief Luft. Wie lange mochte es dauern? Konnte ich so lange lügen, schwindeln und heucheln? Der Kleinen vormachen, daß alles wieder gut werden würde? Daß Mom und Dad bald wieder nach ihr sehen würden?
    Kinder lügen selten, aber glücklicherweise kann man sie sehr effektiv belügen, es gibt unzählige Beispiele dafür. Und einem Kerl wie mir sollte das eigentlich leichtfallen.
    Ich öffnete die Tür zum Wohnraum. Valerie hockte auf dem Sofa, hatte die Beine fest an den Leib gezogen und sah nicht mal auf, als ich den Raum betrat. Über ihren Kopf hinweg konnte ich auch aus dem Fenster sehen.
    Der Planet war inzwischen größer geworden. Gut so, es konnte dann nicht mehr lange dauern.
    „Hallo, Valerie", sagte ich leise.
    Sie blickte auf, erkannte mich und senkte den Blick wieder.
    „Hallo!"
    „Darf ich mich setzen?"
    Sie nickte.
    „Was ist los?"
    „Mom und Dad sind weg", sagte sie leise. Jetzt blickte sie wieder auf. Gegentäuschung. Sie wischte sich das Wasser aus den Augen und versuchte tapfer auszusehen.
    „Die kommen zurück", behauptete ich. „Kann ein bißchen dauern, aber sie kommen. Bestimmt. Mein Wort darauf."
    „Beim Leben deiner Mom?"
    „Bei allem, was mir heilig ist", sagte ich leise.
    Verdammt, meine Stimme begann zu flattern. Ich würde doch nicht noch ein paar Minuten vor meinem Ende noch anfangen, sentimental zu werden? Haltung, Orpheus Chambers, es dauert nicht mehr lange!
    Ich blickte auf den Planeten.
    Wer, zum Teufel, ist imstande, Planeten derartig durch den Weltraum zu befördern?
    Ich griff nach meinem Syntron. Dieses Mal meldete sich Sheremdoc. Er klang ruhig wie immer.
    „Hör zu", sagte ich schnell. „Vielleicht haben wir noch einmal Glück.
    Der Planet könnte..."
    „Es ist Wanderer", antwortete Sheremdoc. „Daran besteht kein Zweifel. Die Digital-Gespenster sind weg. NATHAN hat uns gerade direkt informiert: Projekt Insideout ist in diesem Augenblick beendet. Der Unsterbliche nimmt 20 Milliarden Seelen wieder an sich. Sie werden in ihren alten mentalen Aggregatzustand zurückverwandelt. Ende der Durchsage."
    „Heißt das, daß NATHAN wieder einwandfrei funktioniert?"
    „Höchstwahrscheinlich, wir werden das in den nächsten Tagen prüfen."
    „Und Wanderer?"
    „Keine Ahnung, der Kollisionskurs bleibt. Aber ES hat uns noch nie etwas zuleide getan, jedenfalls nichts Ernstes. Seine Spaße sind manchmal von der gröbsten Sorte, habe ich mir allerdings sagen lassen."
    „Könnte ein prima Kumpel von uns beiden werden", bemerkte ich erleichtert und hörte Sheremdoc leise lachen.
    „Dein Geld ist inzwischen angewiesen worden. Was macht Zucor?"
    „Nichts mehr. Jemand hat ihn erschlagen, und ohne ihn wird seine Bewegung rasch zusammenbrechen, hoffe ich. Ist das Drama damit beendet?"
    „So genau wissen wir das noch nicht. Wahrscheinlich bestand das Projekt Insideout darin, diese zwanzig Milliarden Bewußtseine in NATHAN gewissermaßen zwischenzulagern. Vielleicht verrät NATHAN uns irgendwann die ganze Wahrheit, vielleicht finden wir’s auch nie heraus.
    Ich würde zu gerne wissen, was die Aktionen der Digital-Gespenster für einen Sinn hatten!

Weitere Kostenlose Bücher