1754 - Blutige Tränen
Essen schon da sein, denn Sheila war eine gute Köchin, was ihr Mann Bill und auch ihr Sohn Johnny liebten.
Es war auch kein Abend, um das Haus zu verlassen. Johnny wollte nicht ausgehen. Was trinken konnte er auch zu Hause. Vielleicht das eine oder andere Telefongespräch führen oder ein paar Mails verschicken, da ließ sich noch so einiges machen. Oder mal wieder einen längeren Blick in die Glotze werfen.
London war ein Moloch. London kam nie zur Ruhe. Aber er war in dieser Stadt groß geworden. Er hatte sich an sie gewöhnt. Er war ein Teil von ihr und kam deshalb auch mit ihr zurecht.
Er musste nicht die Straßen fahren, die alle anderen nahmen. Er kannte Schleichwege, die er auch nutzte.
Aufgewachsen war er im Londoner Süden, wo seine Eltern einen Bungalow gebaut hatten. Das Leben der Conollys war alles andere als normal verlaufen.
Sie wussten, dass es andere Welten gab. Dass Dämonen und Geister ebenso existierten wie Vampire und Werwölfe. Das alles hatten sie erlebt und auch überstanden, jeden noch so brutalen Angriff. Bis heute waren sie davongekommen, aber es hatte sich nichts geändert. Die andere Seite gab es nach wie vor und ließ sie nicht aus der Kontrolle.
Johnny wusste das. Er hatte sich darauf eingestellt, und ihm waren die Jahre seiner Kindheit recht gut bekommen, weil er in einer Wölfin eine Beschützerin gehabt hatte.
Eine Wölfin, die auf den Namen Nadine hörte und in deren Körper die Seele eines Menschen vorhanden war. Auch jetzt fungierte sie beinahe noch wie ein Schutzengel aus einer anderen Ebene.
Johnny dachte zwar nicht täglich daran, hin und wieder jedoch kamen ihm die Gedanken an Nadine Berger. So war es an diesem Abend ebenfalls. Er saß auf seinem Roller, er achtete auf den Verkehr, doch gedanklich war er bereits auf Reisen gegangen. Er dachte an die Person, die schon seit einiger Zeit bei den Conollys wohnte und so etwas wie eine Heilige war. Zumindest waren ihre Adern mit dem Blut einer Heiligen gefüllt.
Sie war eine Frau, die lange in einem totenähnlichen Schlaf gelegen hatte. Aus ihm hatte sie die Vampirin Justine Cavallo erweckt, um ihr Blut zu trinken.
Das war für die Cavallo gründlich in die Hose gegangen. Das Blut hatte sie nicht gestärkt, sondern geschwächt, und ihr war nur eine Flucht geblieben.
Johnny Conolly selbst war nicht dabei gewesen. Er hatte es von seinen Eltern gehört, und sie hatten sich letztendlich Serena angenommen und die heimatlose Person mit in ihr Haus genommen, wo sie bereits seit einigen Wochen lebte.
Wie lange der Zustand noch anhielt, wusste niemand. Es war auch nicht Johnnys Sache, sich darum zu kümmern. Er hatte zu Serena ein neutrales Verhältnis. Beide akzeptierten sich, sie kamen auch gut miteinander zurecht, wenn sie sich sahen, ansonsten ging jeder seinen Weg.
Irgendwann würde sie gehen müssen, das hatte sie selbst gesagt. Und sie wusste auch, dass sie eine Feindin hatte, die ihr auf den Fersen war. Justine Cavallo, die es nicht überwinden konnte, dass Serenas Blut bei ihr für die schlimme Schwäche gesorgt hatte. Wie hätte die blonde Bestie auch wissen können, das Blut einer Heiligen zu trinken? [1] [2] [3]
Das alles wusste Johnny, und er war auch froh, dass es ihn nicht direkt berührte.
Bald hatte er die Gegend erreicht, in der er aufgewachsen war. Es war das London ohne Hektik.
Das Grundstück seiner Eltern war mit einer Toreinfahrt versehen und auch einer Überwachungsanlage, aber man konnte durch den ansteigenden Vorgarten bis zum Haus hinschauen.
Im Vorgarten brannten Lampen. Auch das Haus stand nicht im Dunkeln, und Johnny war froh, dass es so war. Allerdings hatte er auch nicht vergessen, dass dieses Haus und dessen Bewohner oft genug angegriffen worden waren. Die dämonischen Attacken zu zählen hatte Johnny aufgegeben.
Jetzt waren es nur noch ein paar Meter bis zum Ziel. Er ging bereits mit dem Tempo herunter. Das Haus lag auf der linken Seite, und der Eingang wurde von der Lichtglocke einer Straßenlaterne erfasst.
Johnny ließ seinen Roller ausrollen. Er war froh, zu Hause zu sein. Er stoppte, musste jetzt nur noch das Tor öffnen und den Weg zum Haus hochfahren.
Alles kein Problem.
Jedenfalls sollte das so sein, aber Johnny Conolly bekam plötzlich große Augen, als er die Gestalt sah, die vor dem Tor auf dem Boden hockte.
In diesem Moment war ihm klar, dass es keinen ruhigen Abend für ihn geben würde...
***
Johnny Conolly wusste nicht, ob er von der Gestalt mit dem Kopftuch gesehen
Weitere Kostenlose Bücher