1754 - Blutige Tränen
sind.«
»Meinst du?«
»Ja.«
»Und warum sagst du das?«
Lilian atmete durch die Nase ein, und brachte dabei ihre Finger in die Nähe der Augen und rieb darüber.
Das tat sie einige Male. Auch ihren Kopf bewegte sie dabei, und aus ihrem Mund drangen heftige Atemstöße, als wäre sie dabei, unter Schmerzen zu leiden.
Serena tat nichts. Sie beobachtete ihre Besucherin nur, die plötzlich mit ihrer Aktion aufhörte und Serena anstarrte.
»Okay und jetzt?«
»Ich bin wie du.«
»Ja, dann zeige es.«
Lilian Block dachte einen Moment nach. Sie schaute die andere Frau dabei fest an. Dann brachte sie die Hände noch mal in die Nähe der Augen, die sie rieb und dafür sorgte, dass dabei etwas in Bewegung geriet. Sie schien durch die Aktion etwas geöffnet zu haben, das sich nun seinen Weg bahnte.
Aus den Augen der Besucherin rannen blutige Tränen!
Serena sah es und sagte nichts. Sie schaute nur, sie beobachtete, sie lächelte nicht mal, denn ihre Lippen lagen fest aufeinander.
Sie verfolgte den Lauf der Tränen, die kleine rote Perlen waren und auf der Haut Streifen hinterließen.
Die Tränen rannen zu den beiden Mundwinkeln und glitten in die Unterlippe bis zum Kinn, wo sie sich schließlich sammelten.
Serena streckte einen Arm aus. »Es reicht!«, erklärte sie.
»Ja, schon gut.« Lilian Block holte ein Tuch aus der Tasche und wischte die Umgebung des Kinns sauber. Das andere ließ sie in ihrem Gesicht.
»Ich habe dich gesucht, und ich habe dich gefunden, Serena. Ich bin wie du.«
»Ach, meinst du das?«
»Ja, auch du blutest...«
»Das stimmt. Aber ich weine keine blutigen Tränen. Das ist etwas völlig anderes. Es hat mit meinem Schicksal nichts zu tun. Das ist etwas ganz Bestimmtes.«
»Aber du blutest doch auch. Und wenn ich dich aus der Nähe anschaue, dann sehe ich die schmalen Narben in deiner Haut, die das Blut hinterlassen hat, wenn es aus den Wunden dringt. Das ist wie bei mir, nur blute ich aus den Augen.«
Serena hatte sich alles angehört.
»Wer bist du?«, fragte sie.
»Eine Suchende. Ich bin zugleich eine Leidende. Ich kann Menschen nicht leiden sehen, dann leide ich mit. Ich weine blutige Tränen, aber ich weiß nicht, warum das so ist. Zudem bin ich eine Getriebene, die endlich eine Antwort haben will, was ihr Schicksal angeht, und deshalb bin ich zu dir gekommen.«
»Und weiter?«
»Nichts weiter. Ich will dir das nur sagen, und ich will von dir hören, warum auch du deine Wunden hast, die anfangen zu bluten, und warum ich blutige Tränen weine.«
»Ich weiß es nicht.«
Mit dieser Antwort gab sich Lilian nicht zufrieden. Sie ließ sich auf einen Sessel fallen und sah so aus, als wollte sie den Raum so schnell nicht wieder verlassen.
Serena tat zunächst nichts. Sie wartete darauf, dass von der anderen Seite etwas kam, aber da hatte sie sich geirrt, und so musste sie selbst nachhaken.
»Wer hat dich geschickt? Woher weißt du überhaupt von mir? Das will ich endlich wissen.«
»Ich bin nicht allein. Zu mir gehören noch Brüder und Schwestern. Wir alle sind einen bestimmten Weg gegangen, aber jetzt wissen wir nicht mehr weiter.«
Serena schüttelte den Kopf. Was sie da hörte, was ihr suspekt. Sie wollte die Besucherin auch nicht mit sich vergleichen. Sie war so etwas wie eine Heilige, aber mehr eine Heilerin, auf deren Blut sich die Menschen verlassen hatten, und sie war auch nicht so gestorben, wie es eigentlich hätte sein sollen. Man hatte sie in einen gläsernen Sarg gelegt, und der war gefunden worden. Eine Vampirin hatte ihr Blut getrunken und war dadurch gezeichnet worden. Dieses Blut hatte der Cavallo die Kräfte geraubt, und all das würde bei dieser Lilian Block nicht der Fall sein. Sie war etwas ganz anderes, sie gehörte in eine andere Kategorie. Möglicherweise hatte sie die Tür zu einer anderen Welt gefunden, doch das war nicht die Welt, die Serena liebte.
»Ich gebe dir einen guten Rat, Lilian. Du passt nicht zu mir. Wir sind verschieden, zu verschieden. Du hast dich für jemand anderen entschieden. Magst du Blut?« Sie lachte. »Würdest du es trinken? Willst du einem Vampir nacheifern?«
»Ich bin kein Vampir.« Lilian öffnete ihren Mund und präsentierte dabei ihr Gebiss.
»Aber du magst das Blut? Hast du es schon von anderen Menschen getrunken? Hat es dir gemundet? Bist du auf dem Weg, ein Vampir zu werden oder ein Halbvampir?«
»Nein, nein, ich – ich – will das alles nicht.«
»Was willst du dann?«
Lilian Block sprang wieder auf. Sie
Weitere Kostenlose Bücher