1754 - Phantome auf Schimos
Stehen oder im Gehen erfolgen; selbst wenn du kopfüber an einem Seil über einem Abgrund hängst - solange du dich an die Regeln hältst. Danach kannst du alles erreichen.
Die Sydorrierin ließ den weitläufigen, prunkvoll ausgestatteten Palast des Fürsten von Jondoron hinter sich und wanderte über üppig blühende Hügel, von denen aus sie einen weiten Rundblick über die Stadt Arjun und die weitverzweigten Arme des Flusses Ar hatte.
Schimos, der vierte Planet des Acht-Planeten-Systems Carvere, war die Haupt- und Residenzwelt des Jondoron-Oktanten, rund 1200 Lichtjahre von der galaktischen Peripherie entfernt. Die Hauptstadt Arjun war in einem hügeligen Gelände an einem Flußdelta erbaut worden, dessen vielzählige Flußarme die natürlichen Grenzen der dreißig Stadtbezirke bildeten.
Fürst Jeschdeans Residenz erhob sich auf einer der größten Inseln am Rande der Stadt. Schimos war eine Welt, auf der es sich angenehm leben ließ; jede Jahreszeit besaß ihren eigenen Reiz und Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung.
Erfrischt und gestärkt kehrte Kamhele in den Palast zurück und erschien pünktlich im fürstlichen Audienzsaal, wo sie bereits erwartet wurde. Fürst Jeschdean legte sehr viel Wert auf Repräsentation; deshalb saß er in dieser weiträumigen, üppig ausgestatteten Halle täglich mehrere Tix auf einem prunkvollen Thron und hielt hof. Hier empfing er seine Berater und Handelspartner, zu bestimmten Terminen auch Ratsuchende.
Sieh an, Kanzler Ebbiddim ist schon anwesend, dachte die Sydorrierin.
„Geschätzter Kanzler, welche Probleme erschüttern unseren Oktanten, daß du zu so früher Stunde bereits anwesend bist?" fragte Kamhele laut.
Der Kanzler glaubte wohl milden Sarkasmus aus ihrer hellen Stimme zu hören, denn er maß die Sklavin aus vorgewölbten, gelblichen Augen. „Es gibt wichtige Dinge, die zwischen einem Kanzler und seinem Fürsten besprochen werden, ohne daß sich die Leibsklavin einzumischen hat", sagte er mit mahnender Stimme.
Kamhele ließ sich davon nicht beeindrucken; das machte den einflußreichen Hamamesch erst recht wütend. Ebbiddim war ungewöhnlich mager, seine geschuppte Haut wirkte am kurzen Hals und der Nackenpartie schlaff und zeigte ein kränkliches, leicht fahles Grau. Doch von diesem Äußeren hatte sich Kamhele noch nie täuschen lassen; hinter der Jammergestalt verbarg sich ein scharfer Verstand, getrieben von Machthunger.
Ebbiddim war jede List recht, um unliebsame Konkurrenten oder unerwünschte Personen durch Intrigen oder sogar Attentate auszuschalten. Kamhele wußte genau, daß meist er hinter den bösen Gerüchten steckte, die über sie verbreitet wurden.
Aber sie hatte dem Fürsten niemals einen Anlaß gegeben, auf diese Gerüchte zu hören. Trotz ausdauernder Provokationen war es Ebbiddim nie gelungen, Kamhele zu einer unvorsichtigen Reaktion zu verleiten; so wußte er nie, ob seine Kränkungen ihr Ziel trafen.
*
Kamhele entstammte einem sehr kleinen Volk. Der eigentliche Ursprung war unbekannt, auch den Sydorriern selbst, und deshalb gab es entsprechend viele Vermutungen. In einer Legende hieß es sogar, daß die Sydorrier in Wirklichkeit aus der Galaxis Queeneroch stammten.
Die Sydorrier waren mindestens einen Kopf größer als die Hamamesch und von ätherischer Schönheit. Sie waren sehr schlank, ihre Gliedmaßen lang und grazil. Wie die Hamamesch gingen sie auf zwei Beinen, die Hände hatten vier schmale Finger. Auf einem langen, gebogenen Hals saß ein von einem knöchernen Kamm gekrönter Kopf mit ausgeprägten Stirn- und Wangenknochen sowie einer langen, rüsselartigen, verknöcherten Schnauze. Im Gegensatz zu vielen anderen Sydorriern trug Kamhele kaum Schmuck, ihr Kamm leuchtete von Natur aus in den marmorierten Farbtönen Gelb und Rot; höchstens, daß sie hin und wieder violette Flitter auf den Kamm stäubte.
Sie bevorzugte weite, wallende seidige Gewänder in mehreren Lagen, die sie nur bei Staatsakten gegen die graue, enganliegende Hamamesch-Kombination tauschte. Ihre großen, dunklen Augen wurden zumeist halb von den fast durchscheinenden Lidern mit den langen, seidigen Wimpern verdeckt, was ihr einen trägen Ausdruck verlieh - das täuschte einen unaufmerksamen Beobachter ebenso wie Kanzler Ebbiddims Jammergestalt.
Die hochintelligenten und stolzen Sydorrier waren Luxussklaven und galten als Statussymbol für angesehene und sehr wohlhabende Hamamesch. Dementsprechend wurden sie gehätschelt und bevorzugt behandelt, fast
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