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176 - Insel der Fledermäuse

176 - Insel der Fledermäuse

Titel: 176 - Insel der Fledermäuse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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menschenverachtend galt, besaß hier einen ganz anderen Stellenwert. Einmal mehr wurde sich Aruula bewusst, wie wenig sie in diese fremdartige Welt passte – und wie sehr sie Maddrax mit seiner »Vernunft« verdorben hatte.
    Die stumm gehaltene Zeremonie verlief wie erwartet.
    Zwei Jungen klappten zusammen, ohne einen Ton von sich zu geben. Sie wurden aus dem Lichterkreis geschleppt und mit verächtlichen Bemerkungen ihren Familienangehörigen übergeben. Sie würden es in nächster Zeit nicht besonders leicht haben.
    Endlich ging es zu Ende.
    Chaang, dem ein riesiges Fischgrätenmuster unter die Brusthaut getrieben worden war und dessen untere Schneidzähne nun ebenfalls angespitzt waren, torkelte mit dem einsetzenden Morgengrauen zu ihnen.
    »Vier Prüfungen noch«, sagte er, »dann bin ich endlich Mooke.«
    »Ist es denn das wert?«, fragte Aruula. Sie vermied jeglichen Blickkontakt, wollte diese seltsame Mischung aus Schmerz und Stolz, die aus ihm sprach, nicht sehen.
    »Ich verstehe dich nicht.«
    »Das habe ich auch nicht erwartet.« Sie erhob sich, schüttelte die müden Knochen aus und sah sich um.
    Yngve war trotz des widerlichen Rituals eingenickt. Er schnarchte leise vor sich hin.
    Mit der aufgehenden Sonne leerte sich der Versammlungsplatz. Mütter und Väter nahmen ihre halbwüchsigen Knaben mit sich, eng umschlungene Pärchen entfernten sich müden Schrittes, alte Weiber schrubbten das Blut von den Planken.
    Chabilay Tihm hatte sich dumm grinsend von zwei der hässlichsten Mooken-Frauen entführen lassen. Kichernd hatten sie ihn in die Dunkelheit geschleppt.
    Wahrscheinlich verabreichten sie ihm soeben eine Portion Liebe, an die er sich Zeit seines Lebens mit Schrecken erinnern würde.
    Ringsum erwachte alles zum Leben. Fleisch- und Milchtiere brüllten, quiekten und schnatterten verlangend. Sie benötigten Nahrung und Zuwendung.
    Ein neuer Tag auf dieser verrückten Welt begann, und er würde, wie so oft, Sensationen und Aufregungen mit sich bringen.
    5.
    Den Tag über hielten die Mooken die Segel gesetzt. Sie steuerten ihre kleine Flotte nordwärts, bis mehrere vom Grün der Bäume bedeckte Inseln am Horizont auftauchten.
    »Karimunjawa!«, sagte Chaang sehnsüchtig. »Die Heimatinseln.« Er konnte sich kaum bewegen vor Schmerz und zeigte dennoch jedermann stolz seine Narben.
    Weit voraus, von einem der vordersten Boote, erscholl ein Warnruf. Augenblicklich griffen Männer und Frauen nach Waffen, rannten scheinbar desorientiert über die Decks und deuteten ängstlich in den Wolken verhangenen Himmel.
    »Batangs!«, riefen sie. »Batangs!«
    »Was ist los?«, fragte Aruula den jungen Mooken an ihrer Seite, bevor er sich entfernen konnte.
    »Dämonische Vögel«, sagte Chaang. »Sie haben uns aus unseren Fischereigründen vertrieben. Nur deshalb haben wir den Weg aufs offene Meer hinaus gesucht und euch gefunden. Wir hofften, dass sie mittlerweile weiter gezogen wären.« Er seufzte tief und lange.
    »Warum nennt ihr sie Dämonen?«
    Die Mooken steuerten ihre Schiffe näher zueinander.
    Augenscheinlich sahen sie einen besseren Verteidigungsschutz, wenn sie dicht beieinander blieben.
    »Bis vor ein paar Jahren bewohnten sie die Karimunjawa-Inseln und gingen lediglich des Nachts auf Jagd. Sie schlugen Dschungelgetier und taten sich an größeren Insekten gütlich, ließen aber alles, das größer als sie selbst war, in Ruhe. Irgendwann änderte sich das von einem Tag auf den anderen. Nun sind sie hinter allem Fressbaren her; auch hinter uns Mooken. Wenn niemand es erwartet, stoßen die Batangs herab, greifen Tiere, Frauen und Kinder – und verschwinden ebenso rasch wieder. Sie sind unverletzlich. Pfeile und Lanzen prallen von ihnen ab wie vom Fels.«
    »Unmöglich!« Yngve war neben sie getreten. Er spähte mit zusammengekniffenen Augen in den Himmel. »Die sehen mir wie ganz normale Vögel aus. Ein wenig groß zwar…«
    »Das sind keine Vögel, das sind Dämonen!«, beharrte Chaang. »Sie töten uns und fressen unser Fleisch.«
    Aruula erinnerte sich an die seltsamen Flugrochen, die die Daa'muren für die Beobachtung gezüchtet hatten. In gewisser Weise ähnelten die Batangs ihnen, waren aber dennoch ganz anders. Die Flügel dieser Wesen schlugen schnell und hektisch. Die Flugtiere kämpften wie wild gegen Luftströmungen an, anstatt sich ihnen im Gleitflug anzuvertrauen wie ein Todesrochen.
    Oder glichen sie mehr den kopfgroßen Bateras, denen sie mehrfach in Britana begegnet war? Diese Tiere konnten

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