1760 - Tödliche Lockung
nicht kannte. Als ich in den Gang hineintrat, sah ich, dass es sich bei ihm um einen Pfleger handelte.
Er und die Frau in ihrer weißen Arbeitskleidung stoppten und starrten mir ins Gesicht.
Ich winkte mit beiden Händen ab, denn ich wollte nicht, dass sie das Krankenzimmer betraten. Dann erklärte ich ihnen, wer ich war und für wen ich arbeitete. Zudem konnten sie noch meinen Ausweis sehen.
Ich riet ihnen, sich ruhig zu verhalten und abzuwarten. Einfach nur ins Schwesternzimmer gehen, bis alles ausgestanden war. Ich hoffte, dass sie meinen Rat befolgen würden. Sprechen konnten sie nicht. Sie schauten sich nur an, beide waren sie blass geworden. Der Mann wollte noch etwas sagen oder fragen, wurde aber von der Frau daran gehindert und weggezogen.
Ich ging zurück ins Krankenzimmer und schloss die Tür hinter mir. Endlich hatte ich Zeit und konnte mich um Purdy Prentiss kümmern. Für sie mussten die letzten Minuten schlimm gewesen sein. Nur liegen, nicht eingreifen zu können, wohl wissend, dass es gefährlich wurde.
Sie schaute mich an. Ich sah die Fragen in ihren Augen und schickte ihr ein Lächeln, bevor ich sie aufklärte.
»Du musst dir keine Sorgen mehr machen, Purdy. Ich habe die Sache geregelt.«
»Ja«, flüsterte sie, »das weiß ich. Und alles wegen einer Person, die keiner von uns kennt.«
»So ist es, Purdy. Aber das wird sich ändern. Ich hole sie mir noch heute.«
»Tu das, aber sei vorsichtig. Wer sich vor langer Zeit in Atlantis gehalten hat, der kann sich wehren.«
»Das weiß ich.«
Ich wollte mit dem Mann sprechen, der selbst als Arzt in den wahrhaft hexenähnlichen Bann dieser Carmen geraten war.
Er hockte auf dem Boden. Die Pistole mit dem Schalldämpfer hatte ich zur Seite getreten, sodass er nicht mehr an sie herankam. Dann nickte ich ihm zu.
»Wird sie kommen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Aber Sie lieben diese Person?«
»Ich bin von ihr begeistert. Sie ist toll. Sie ist der Wahnsinn. Sie ist einmalig auf der Welt, und sie hat sich mich ausgesucht. Sie hätte meine Sklavin werden können und ich wäre der glücklichste Mensch auf der Welt geworden.«
Ich winkte ab. So etwas Ähnliches hatte ich schon mal gehört. Sie hatte es wirklich verstanden, gleich zwei Männer in ihren Bann zu ziehen. Als ich davon anfing, musste der Arzt scharf lachen. Er wollte es nicht glauben und meinte: »Auch wenn es so gewesen ist, ich wäre derjenige gewesen, der ihre Gunst errungen hätte.«
»Wenn Sie das meinen.«
»Das kann ich beschwören.«
Ich wies mit der Beretta auf seinen Arm. »Ich werde dafür sorgen, dass Ihre Wunde behandelt wird, und wenn Sie wieder auf dem Damm sind, kommen Sie vor Gericht. Da wird Ihnen keine noch so schöne Frau helfen können. Ach ja, wo steckt sie eigentlich?«
»Carmen?«
»Ja, sie meine ich.«
Er lachte etwas blechern. »Sie ist immer da, auch wenn man sie nicht sieht. Ich kann Ihnen versprechen, dass sie ganz in der Nähe lauert.«
»Aber nicht im Haus – oder?«
Simmons schüttelte den Kopf und spie aus. »Darum sollten Sie sich selbst kümmern, ich halte mich da raus. Ich will nichts damit zu tun haben. Verstanden?«
»Ja. Nur weiß ich nicht, ob Ihnen das noch hilft.«
Meiner Ansicht nach hatte ich genug geredet. Jetzt galt es, diese unbekannte Carmen aufzuspüren. Wo sie sich aufhielt, war mir unbekannt, aber ich hielt noch einen Trumpf in der Hinterhand, und der hieß Suko.
Er war mir nicht in die Klinik gefolgt. Er sollte draußen die Augen offen halten. Möglicherweise hatte er Glück gehabt und war auf die schöne Carmen getroffen und ihrer lockenden Versuchung nicht erlegen.
Ich rief ihn über Handy an, aber da tat sich nichts. Suko meldete sich nicht, und ich dachte daran, dass es sonst nicht seine Art war. Irgendwas musste passiert sein.
Ich startete einen zweiten Versuch und erlebte die gleiche Pleite.
Warum nahm er das Gespräch nicht entgegen?
Entweder hatte man ihn ausgeschaltet oder er war so beschäftigt, dass er sich um nichts anderes kümmern konnte. Ich hoffte auf die zweite Möglichkeit.
Es gab eigentlich nur eine Person, an die ich mich wenden konnte, um die Wahrheit zu erfahren. Das war Dr. Abel Simmons, der leise stöhnte.
Ich baute mich vor ihm auf. »Wo ist sie? Wo steckt diese verfluchte Carmen?«
Jetzt bekam ich eine Antwort. »Draußen ist sie. Sie wartet auf mich.«
»Nahe der Klinik hier?«
»Ja, aber sie will nur mich, verstehen Sie?«
»Alles klar.« Ich glaubte nicht, dass er mich angelogen hatte,
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