1772 - Zug der Herrscher
schmerzvolles Stöhnen.
„Zerbrich das Glas nicht!" warnte der Fürst. Mit der freien Hand wischte er über ihren Hals.
„Deine Haut ist feucht. Du hast dich gewaschen?"
„Nein", stammelte die Sydor-Sklavin. „Das würde ich nicht wagen."
„Du hast einmal meine Befehle mißachtet. Glaube nicht, daß ich das vergessen hätte."
Ihre Finger begannen taub zu werden, gleich würde ihr das Glas entgleiten, ein Andenken an Qilltom von Omgenoch. Die Folgen konnte sie sich ausrechnen.
„Deine Haut ist feucht", behauptete Karon von Omgenoch nachdrücklich. „Das gefällt mir nicht." Seine Stimme klang gefährlich leise, nur noch ein Hauch von Flüstern. „Oder fürchtest du mich, ist das Angstschweiß? Ja, du sollst mich fürchten, Deliga, denn ich bin der Fürst von Omgenoch. - Und jetzt bring mir endlich zu trinken! Ich verdurste."
Früher war Karon noch umgänglicher gewesen, aber seit Maschtar Morran ihn aufgesucht hatte, schien er sich selbst nicht mehr gut zu sein. Als er sie verächtlich zur Seite stieß, hatte Deliga Mühe, das Glas nicht fallen zu lassen. Irgendwie schaffte sie es und war sogar erleichtert darüber. Karon fühlte sich ihr unterlegen, deshalb demütigte er sie. Und weil er Frauen ohnehin nur als Mätressen ansah, mit denen er nach Belieben umspringen konnte.
Deliga gab sich Mühe, das gewünschte Aroma ins Wasser zu mischen. Der Geruch wurde derart intensiv, daß sie sich unwillkürlich fragte, ob überhaupt jemand diese Brühe trinken konnte.
Karon von Omgenoch konnte es.
Als sie nach wenigen Minuten in die Zentrale zurückkehrte, schwebte die KRAU auf der Höhe der Gedenkstätte. Starke Scheinwerfer entrissen das monumentale Denkmal der Finsternis, vom Residenzschiff aus bildete sich eine flammende energetische Brücke.
Karon von Omgenoch hatte seinen Raumanzug angelegt, den Helm aber noch nicht geschlossen. Ungeduldig wartete er darauf, daß Deliga ihm das Glas reichte.
„Du wirst unerträglich langsam, Sklavin", warf er ihr vor. „Darüber reden wir, sobald wir nach Riau zurückkehren."
Sie verbiß sich eine Erwiderung und verneigte sich respektvoll.
Karon verließ das Schiff. Von künstlichen Schwerkraftfeldern gehalten, betrat er die Energiebrücke. Mit jedem Schritt wuchs seine Gestalt. Eine optische Spielerei, die Eindruck schinden sollte, für Deliga indes nur Ausdruck seiner Geltungssucht. Bis er das Denkmal erreichte, war er zur scheinbaren Größe von gut achtzig Metern angewachsen und ragte damit ebenso hoch auf wie die Statue des unbekannten Kämpfers.
Karon von Omgenoch badete im Scheinwerferlicht. Seine Stimme war in diesem Augenblick nicht nur überall im Oktanten, sondern auch in den benachbarten Handelsreichen zu hören. Er hielt eine flammende Ansprache, eine Lobhudelei auf die Hamamesch aller Zeiten im allgemeinen und die Errungenschaften von Omgenoch im besonderen. Deliga kannte jedes Wort im voraus, sie hatte die Rede für ihren Fürsten verfaßt. Siedendheiß überlief es sie, als Karon den Text veränderte. Er mußte größenwahnsinnig geworden sein. Zwischen seinen plötzlich so plump wirkenden Worten war ein Vergleich mit Gomasch Endredde herauszuhören. Nicht umsonst trug er an den vier Fingern jeder Hand schwere Siegelringe mit den von ihm selbst entworfenen Wappen und den Namen der anderen Oktanten. Karon von Omgenoch gierte danach, Hirdobaan unter seiner Führung zu vereinen.
Und dann reckte er die Arme in die Höhe, und von seinen Händen schössen irisierende Lichtstrahlen in den Weltraum hinaus. Innerhalb kürzester Zeit stand er im Zentrum gleißender Helligkeit, während von Asteroid zu Asteroid starke Projektoren ein flirrendes Lichternetz woben.
Ein eindrucksvolles Schauspiel, doch Deliga erkannte darin nur Überheblichkeit und Anmaßung.
*
Borrengold war der zweite von vier Planeten der gelben Sonne Riffta und im Mittel 176 Millionen Kilometer von dieser entfernt. Wegen seiner Achsneigung von 27 Grad wies er extreme Jahreszeiten auf, das Klima war nur in der Äquatorzone stabil. Ausgedehnte Ozeane prägten das Bild, die Landmassen in Form großer Kontinente bedeckten knapp drei Zehntel der Gesamtoberfläche.
Das Riffta-System galt für alle Zeiten als Sperrgebiet, Fermyyd in ihren Regenbogenschiffen patrouillierten entlang der Grenzen. Mit Genugtuung registrierte Deliga, daß sogar Karon von Omgenoch gezwungen wurde, sich auszuweisen.
„Ich verlange, daß besondere Vorkommnisse ohne Verzögerung gemeldet werden", forderte
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