1773 - Das andere Jenseits
bringen.
Krista Hellsen drehte sich wieder zu ihrem Freund um. Er hatte sich auf seinem Sitz zurückgelehnt und grinste schief.
»Du hast alles gehört?«
»Ja.«
»Und?«
»Ich fühle mich geehrt.«
»Ist das alles?«
Rudy grinste. »Was willst du?«
»Sprich mit ihnen.«
Er lachte. »Und warum sollte ich das tun?«
»Weil ich dich darum bitte.«
Da musste er lachen. »Sollte mich das umstimmen?«
»Doch, das sollte es. Immerhin waren wir befreundet. Wir haben uns auf Reisen begeben, wir haben auch miteinander geschlafen. Verdammt noch mal, so etwas verbindet doch.«
»Es ist vorbei. Denk nicht mehr daran. Ich spiele in einer anderen Liga. Man hat mich auserwählt, und darauf bin ich sehr stolz. Ich gehöre zu ihnen, und ihr solltet euch auch darauf einstellen, denn jetzt beginnt eine andere Zeit.«
Krista wandte sich ab. Es hatte keinen Sinn, ihren Freund überzeugen zu wollen. Er hatte sich voll und ganz auf die andere Seite geschlagen. Und das sicherlich nicht freiwillig.
Die Frau aus Norwegen sprach Maxine an. »Hast du das alles mitbekommen?«
»Leider.«
»Und was sagst du?«
»Dass wir hier in der Falle sitzen. Wir können Rudy nicht zu irgendwelchen Aussagen zwingen. Möglicherweise weiß er auch nichts. Er ist ja auch nur hineingerutscht. Und du hast Glück gehabt, dass dir so etwas nicht passiert ist.«
»Stimmt.«
Maxine senkte ihre Stimme. »Wir müssen ihn nur unter Kontrolle halten. Ich denke mir, dass er sich auf die Seite dieser Gestalten stellen wird, und da wird er auf uns keine Rücksicht nehmen.«
Krista schluckte und senkte den Blick. »Aber er ist doch mein Freund, Maxine.«
»Das kannst du vergessen.«
Krista nickte und schloss die Augen. Sie wollte plötzlich nichts mehr sehen, doch innerlich verabschiedete sie sich schon von ihm. Es würde nie mehr so werden wie früher. Dieser Gedanke wühlte sie auf, und sie hatte Mühe, ihre Tränen zurückzuhalten.
Maxine bemerkte wohl ihre innerliche Zerrissenheit, hielt sich aber mit einem Kommentar zurück. Sie hätte die junge Frau gern getröstet, doch das konnte sie sich im Moment nicht leisten, denn die Gestalten draußen hatten sich dem Fahrzeug weiter genähert. Sie glichen aufgedrehten Puppen, die sich nicht aufhalten ließen.
Dabei zeigten sie keine Emotionen. Sie bewegten sich recht langsam, die ganze Gruppe schien locker zu sein und keine Probleme zu haben.
Die Tierärztin versuchte sie richtig einzuschätzen. Wer waren sie? Genau konnte sie da keine Antwort geben. Als normale Menschen wollte sie die Gestalten nicht einstufen. Aber auch nicht als Geister oder ähnliche Wesen. Sie mussten etwas anderes sein, möglicherweise eine Mischung aus beidem. Hier kam so einiges infrage. Sie konzentrierte sich auf die Gesichter, die es zwar gab, die aber für sie keine waren. Sie wirkten so flach, fast zweidimensional, ohne großen Ausdruck.
Maxine Wells schaute auch über die Schultern der Gestalten. Sie suchte sie nach irgendwelchen Flügeln ab, doch es waren keine zu sehen. Deshalb stufte sie die Gestalten auch nicht unbedingt als Engel ein, obwohl sie wusste, dass es bei denen durchaus Unterschiede gab.
Dann kam ihr der Begriff halbstofflich in den Sinn. Konnte man sie als solche bezeichnen?
Ja, das waren sie. Auf dem Weg zwischen Mensch und Engel. Nicht ganz fertig, und so hatten sie auch von einer bösen Macht übernommen werden können.
Das alles ging ihr durch den Kopf, während sie die Gestalten beobachtete. Keine von ihnen bewegte sich aggressiv, doch sicher waren sie alle bereit, ihre Aufgabe zu erfüllen, und das konnte für die Menschen nur schlecht sein.
Was würden sie tun?
Es sah danach aus, als wollten sie den Geländewagen einkreisen und dann zum Angriff übergehen. Die Türen waren jetzt verschlossen, die andere Seite musste sich schon etwas einfallen lassen, um das Fahrzeug entern zu können.
Und das würde sie auch. Davon waren die beiden Frauen überzeugt. Denn Krista hatte sich ebenfalls ihre Gedanken gemacht und flüsterte: »Wir haben keine Chance, Maxine. Es sind zu viele. Sie können den Wagen packen, ihn sogar anheben und umkippen. Glaube ich zumindest.«
»Ich weiß.«
»Ha, das sagst du so einfach.« Krista stöhnte. »Haben wir denn überhaupt noch eine Chance?«
»Die haben wir.«
»Und welche?«
»Es ist die Flucht.«
Krista Hellsen riss die Augen auf. Sie schien es nicht glauben zu können und fragte mit leiser Stimme: »Du willst nicht auf John Sinclair warten?«
»So ist es.
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