1775 - Totenwelt
gekommen war, als sie den Blick der Augen gesehen hatte.
»Kann man sagen, dass du Angst hast?«
»Ja«, gab sie zu.
Das beruhigte Jane schon mal. Da war sie einen Schritt weiter gekommen.
»Wovor hast du Angst?«
»Vergiss es.«
Das wollte Jane nicht. »Verspürst du denn auch Schmerzen?«
»Nein, nicht direkt.«
»Ach«, wunderte sich Jane. »Nicht an den Wunden?«
»So ist es. Sie gehören zu mir...«
»Ja, das weiß ich. Und sie sind nicht immer zu sehen. Warum gerade heute?«
»Es ist eine Botschaft, die mich erreichte.«
»Gut. Und welche?«
»Ich kann es nicht genau sagen, obwohl alles so stimmt. Ich muss einfach davon ausgehen.«
»Kann ich dir dabei helfen?«
»Keine Ahnung.«
»Ach, es würde uns eventuell schon weiterbringen, wenn du mir etwas von dieser Botschaft sagst.«
Serena hob die Schultern. »Es ist alles nicht so einfach«, murmelte sie. »Ich – ich – erwachte mitten in der Nacht und verspürte die Schmerzen, als sich die Wunden bildeten.«
Jane fragte: »Und das ist eine Botschaft gewesen?«
»Kann man so sehen.«
»Und weiter?«
Serena holte tief Atem. »Ich konnte nichts tun, gar nichts. Ich lag da und musste alles über mich ergehen lassen, und das war kein Vergnügen, glaube mir.«
»Sicher.«
»Ja, es war eine Botschaft«, flüsterte sie, »davon bin ich so stark überzeugt wie nie zuvor. Man hat mir durch das Blut eine Botschaft zukommen lassen.«
»Gut. Und wie lautet sie?«
»Totenwelt.«
Jane zuckte zusammen. Mit einer derartigen Antwort hatte sie nicht gerechnet.
»Wie kommst du denn darauf?«, fragte sie.
Serena deutete ein Kopfschütteln an. »Ich selbst bin nicht darauf gekommen. Das war eine andere Person oder eine andere Macht, die mir diese Nachricht geschickt hat.«
»Okay, Serena. Hast du dir Gedanken darüber gemacht, wer das sein könnte?«
»Ja, mir ist nur nichts eingefallen. Aber ich weiß jetzt, dass der Begriff Totenwelt sehr wichtig ist. Nur kann ich im Moment nichts damit anfangen. Du vielleicht, Jane?«
»Nein, nein. Ich denke auch nach und stehe vor einem Rätsel, das ich nicht lösen kann.«
»Aber es ist wichtig«, flüsterte Serena und stand schwerfällig auf. Jetzt gelang Jane auch ein Blick auf das Bett und die Bettwäsche, die an vielen Stellen blutig geworden war. Das hatte sich nicht vermeiden lassen.
»Klar, Serena, das ist wichtig. Und ich denke, dass wir versuchen werden, es gemeinsam zu lösen. Natürlich nur, wenn du nichts dagegen hast.«
»Nein«, gab sie zurück. »Was sollte ich denn dagegen haben? Ich bin für jede Hilfe dankbar.«
»Das freut mich, dass du so denkst.«
»Klar, was sonst?«
Jane lachte. »Schließlich sind wir Verbündete.«
»Danke.« Serena schaute an sich hinab. Sie schüttelte den Kopf und sagte: »Ich denke, dass der Anfall jetzt vorbei ist, und möchte mich gern duschen, wenn du nichts dagegen hast.«
»Was sollte ich denn dagegen haben? Es ist wichtig, dass du wieder einen normal aussehenden Körper bekommst.«
»Das meine ich auch.« Sie ging recht langsam auf die Tür zu. Ihre Füße schleiften dabei über den Boden und einen Kommentar gab sie nicht mehr ab.
Jane Collins schaute ihr nach, wie sie das kurze Stück durch den Flur auf die Badezimmertür zuging. Wenig später war sie verschwunden, und es dauerte nicht lange, bis das Wasser rauschte, was Jane irgendwie beruhigte.
Der Begriff ging ihr nicht aus dem Kopf. Wer oder was war diese Totenwelt? Sie hatte keine Ahnung und konnte nichts damit anfangen, aber er musste wichtig sein, sonst hätte Serena nicht davon gesprochen. Für Jane Collins stand fest, dass sie unbedingt nachhaken musste, sonst würde sie keine Ruhe finden.
Vielleicht war Serena inzwischen etwas eingefallen. Das wäre am besten gewesen. Erst mal wartete Jane ab, bis sie aus dem Bad zurückkehrte. Es konnte ja sein, dass sie eine Idee hatte.
Das Wasser rauschte nicht mehr. Jedenfalls hörte Jane nichts, und so wartete sie gespannt auf das Erscheinen der Heiligen und der Helferin, was sie auch gewesen war.
Recht bald öffnete sich die Tür. Serena verließ das Bad. Sie zeigte nicht ihren ganzen nackten Körper, weil sie um die obere Hälfte ein Badetuch geschlungen hatte, aber auch so erkannte Jane, dass nicht ein Tropfen Blut mehr auf der Haut schimmerte.
»Alles weg«, meldete Serena.
»Das sehe ich.«
»Und ich gehe auch davon aus, dass dieser Anfall nicht mehr zurückkehrt.«
»Bist du sicher?«
»Für heute schon. Was später sein wird, dafür kann
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