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178 - Die vergessene Macht

178 - Die vergessene Macht

Titel: 178 - Die vergessene Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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und mental außer Gefecht gesetzt. Wie lange, das wusste er nicht.
    Der Kapitaan hatte ihm einen hochgiftigen Matranta ins Essen gemischt, einen Seestern aus den Küstengewässern. Er galt in Indien als probates Mittel zur Regelung von Erbschaftsstreitigkeiten; man konnte ihn dort in getrockneter Form auf fast allen Märkten erwerben. Das winzige Tier fiel in einem Fischgericht nicht auf. Es schmeckte ein wenig nach Bittermandel, doch das ließ sich durch scharfes Braten gut überdecken.
    Grao’sil’aanas Blick wanderte an der Kajütendecke entlang. Die Augen waren das Einzige, was er noch bewegen konnte, ansonsten war sein Wirtskörper vollständig gelähmt. Der Daa’mure spürte das Gift nicht mehr, das ihm durch die Adern pulste, doch er wusste, es war da, und es würde töten – langsam, ein Organ nach dem anderen.
    Es gab ein Gegengift. Kapitaan Bell hatte die kleine Flasche auf den Tisch neben Grao’sil’aanas Lager gestellt und eine Kerze angezündet. Wenn sie erlischt, bist du tot! , hatte der Primärrassenvertreter gesagt, bevor er den Raum verließ. Aber wenigstens war er eitel genug, um vorher sein Motiv preiszugeben. Grao’sil’aana hätte verächtlich gelacht, wenn es ihm möglich gewesen wäre.
    Bell ahnte nicht, wen er da mit Informationen versorgte.
    Roddy Bell war der Grandlord von Cornwall. Er hatte in einer Hinterlassenschaft früherer Generationen die Geschichte von Nuntimor entdeckt, einem Schwert, das sogar Könige tötete. Jemand hatte Bildermenschen erschaffen, um es zu preisen und das Geheimnis seines Verstecks zu wahren. Ein solcher Aufwand wurde aber nur für Götter betrieben, also musste Nuntimor von magischer Herkunft sein.
    Bell wollte mit dem Königstöter Ausala erobern – dieses ferne, unbekannte Land, zu dem seit Neuestem etliche Reisende aus aller Welt unterwegs war. Er kannte deren wahre Motiv nicht und nahm an, dass es dort große Reichtümer gab, die nur darauf warteten, von Bell und seinen Socks erobert zu werden. Die Besten seines Clans befanden sich an Bord der Roter Bhagar . Was noch fehlte, war Nuntimor.
    »Du wirst verstehen, dass wir euch das Schwert nicht überlassen können«, hatte Bell beim Hinausgehen gesagt und den Kopf geschüttelt. »Ich fasse es noch immer nicht, dass wir den Jungen gefunden haben! Seit mein Bruder Tom von den Piraten getötet wurde, ist Daa’tan der Einzige, der die Wegweiser zu Nuntimors Versteck kennt! Vielleicht schone ich zum Dank sein Leben.« Er stutzte. »Oder auch nicht.«
    Nach diesen Worten fiel die Tür ins Schloss. Seither war der Daa’mure allein.
    Allerdings hatte Bell einen Wächter vor der Kajüte postiert. Diese überflüssige Aktion war typisch für das Naturell der Primärrassenvertreter, das sich durch mangelnde Logik auszeichnete. In diesem Fall erwies sich das als nützlich.
    Grao’sil’aana konnte aus den Augenwinkeln erkennen, dass die Kerze auf dem Tisch schon weit herunter gebrannt war. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit, wenn er sich retten wollte, und das wollte er unbedingt.
    Nicht zuletzt um Daa’tan willen.
    Grao’sil’aana mobilisierte alle mentalen Kräfte, um diese Störung in seinen Gedanken zu unterdrücken, die ein Primärrassenvertreter als Todesangst bezeichnet hätte. Dann konzentrierte er sich auf den Wächter vor der Tür. Er suchte nach dessen Verstand, tastete sich durch fremde Gedanken bis ins Unterbewusstsein vor und verankerte dort ein Bedürfnis.
    Ich möchte Grao Sahib helfen! , suggerierte er dem Wächter. Ich gehe jetzt in die Kajüte und verabreiche ihm das Gegengift, das auf dem Tisch steht. Sofort!
    Knarrend öffnete sich die Tür. Ein Matrose kam herein, blass und mit leerem Blick. Er bewegte sich wie ein Zombie, stieß hart an den Tisch. Die Kerze kippte um, rollte herunter und landete auf dem Lager des Daa’muren. Das Stroh verfärbte sich in fließender Bewegung schwarz. Winzige blaue Lichter tanzten hoch.
    Grao’sil’aana bot seine ganze Willenskraft auf, um den Mann an der geistigen Leine zu halten. Er führte dessen Finger an die Flasche mit dem Gegengift, wissend, dass es die einzige war. Wenn sie umfiel, war er verloren.
    Einen Moment lang ließ Grao’sil’aana diesen Angst auslösenden Gedanken zu, und prompt griff der Wächter daneben. Der Daa’mure riss sich zusammen. Nicht ablenken lassen! Konzentrieren!
    Der Wächter kam heran, zog den Glasstöpsel aus der Flasche. Grao’sil’aana konnte den Mund nicht öffnen und suchte nach der richtigen mentalen

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