Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
178 - Die vergessene Macht

178 - Die vergessene Macht

Titel: 178 - Die vergessene Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
Vom Netzwerk:
Formulierung, um dem Mann diese Aufgabe zu übertragen. Etwas roch verbrannt. Als sich der Wächter herunter beugte, sah Grao’sil’aana, dass schmorendes Stroh an seinem Hosenbein hing. Er schien es nicht zu merken.
    Ungeschickt zog er die Daa’murenlippen auseinander und schüttete den Flascheninhalt dazwischen.
    Der Wirtskörper wehrte sich, als die scharfe Flüssigkeit in seine Kehle rann. Grao’sil’aana spürte den Zwang zu husten. Doch er konnte sich nicht bewegen, und plötzlich war keine Luft mehr da. Schlimmer noch: Die mentale Verbindung zu dem Matrosen riss ab; der Mann erwachte wie aus tiefem Schlaf und begann zu brüllen. Er schlug den Brand an seiner Hose aus, suchte nach einer Erklärung für seine Anwesenheit in der Kajüte, fand keine und zog in Panik ein Messer.
    Grao’sil’aana war blau im Gesicht. Sein Herz raste. Mit dem Blut wurde auch das Gegengift schnell durch den Wirtskörper transportiert, und auf einmal fiel die Lähmung von ihm ab. Der Daa’mure schoss hoch, sog gierig die Luft ein wie jemand, der kurz vor dem Ertrinken stand.
    Grao’sil’aana sah im letzten Augenblick, wie sich der Matrose mit einem Messer auf ihn stürzte. Er packte den Mann am Handgelenk, drehte es um und stieß ihm die Klinge in den Hals. Dann machte er, dass er fort kam.
    Unter Deck war niemand anzutreffen. Die Roter Bhagar kreuzte unter vollen Segeln im Küstengewässer, anstatt zu ankern, damit sie im Fall eines Piratenangriffs keine kostbare Zeit verlor. Grao’sil’aana lief zum Treppenaufgang und lauschte den Stimmen an Deck. Als er die des Kapitaans hörte, wandte er sich ab. Bells Quartier befand sich am Heck. Es war das einzige, das mit Fenstern ausgestattet war.
    Zügig schritt der Daa’mure durch den Raum, öffnete die Verriegelung vor den Scheiben und schwang sich hinaus. Er seufzte, als er das graue Meer tief unter sich sah. Ein Beiboot wäre jetzt gut gewesen, aber die gab es nur mittschiffs, und da kam er nicht hin.
    Unbemerkt kletterte Grao’sil’aana von Bord, glitt ins kalte Wasser und schwamm los. Er musste die Insel erreichen und Daa’tan finden, ehe es zu spät war. Sobald der Junge das Schwert gefunden hatte, wurde er nicht mehr gebraucht. Da war es fraglich, ob die Mönche ihn überhaupt noch zurückbrachten.
    Grao’sil’aana schaukelte mehr schlecht als recht durch die Wellen. Viele überspülten ihn, eine hinterließ ein stinkendes kaltes Algenbündel auf seinem Kopf. Der Daa’mure zog es herunter und gestattete sich eine kurze Adaption menschlichen Verhaltens.
    (Es ist empörend, was ich alles erdulden muss! Und das wegen einer primitiven Waffe, von der es noch unzählige weitere Exemplare gibt! Sobald ich Daa’tan gefunden habe, werde ich seinen mentalen Reifestatus gründlich überprüfen.
    Er verhält sich nicht normal. Ein Schwert! Bei Sol’daa’muran!) Als Grao’sil’aana die Brandung erreicht hatte und triefend ans Ufer watete, drehte er sich kurz nach der Roter Bhagar um. Zwischen ihren Masten stieg Rauch auf. Der Daa’mure war erstaunt über die Genugtuung, die er bei diesem Anblick empfand. Sie war völlig irrational. Aber sie fühlte sich gut an.
    ***
    Auch Daa’tan hatte ein gutes Gefühl. Er war im überfluteten Gewölbe des Borabundu-Tempels vor einer Löwenstatue ausgerutscht, hatte sich an der steinernen Pranke festgehalten und dabei herausgefunden, dass sie ein Hebel war.
    Er öffnete eine verborgene Tür. Bis die sich in Bewegung setzte, lief das Wasser im Gewölbe schon wieder ab. Daa’tan brauchte daher gar nicht ungeduldig zu warten, dass der Türspalt endlich breit genug wurde, um hindurch zu schlüpfen. Er tat es trotzdem, und das hatte seinen Grund.
    Hinter der Tür lag ein riesiges Labyrinth. Da führten Treppen in schwindelnde Höhen und wieder herunter; es gab Plattformen, unzählige Mauerbögen, Vorsprünge und Nischen. Wohin immer das Licht von Daa’tans Fackel fiel, schimmerte die gleiche Verlockung aus der Dunkelheit.
    Gold.
    »Weg da! Ich will auch was sehen!« Crologg zerrte den Jungen fort und drückte sich selbst an die Öffnung. Seine roten Augen begannen zu leuchten, als er die Fackel durchs Dunkel schwenkte. Das Labyrinth barg Schätze von unermesslichem Wert!
    »Gold!«, jauchzte auch Haid, als die Tür endlich passierbar war. Er packte Crologg an den Haaren, hielt ihn fest und zwängte sich vorbei. Crologg schlug nach ihm, und Gill kroch zwischen den beiden hindurch. Jeder wollte der Erste sein und das kostbare kühle Metall

Weitere Kostenlose Bücher