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178 - Die vergessene Macht

178 - Die vergessene Macht

Titel: 178 - Die vergessene Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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mich in dieses Labyrinth geführt. Warum ritzt jemand als Nächstes eine Blume ein, wenn es hier von Blumen derart wimmelt?
    Daa’tan starrte auf den Boden vor seinen Füßen.
    Crologg, Jack und Haid brüllten sich vor lauter Frust inzwischen an, und es würde vermutlich nicht mehr lange dauern, bis die Fäuste flogen. Der Junge nahm es nur am Rande wahr. Er versank in Grübeleien.
    Es muss möglich sein, diese eine Blume, die gemeint ist, in der Riesenmenge zu erkennen. Aber wie?
    Daa’tan wackelte ungeduldig mit den Zehen. Er grübelte und grübelte, doch er fand die Lösung nicht.
    Irgendwann stöhnte er resignierend und lehnte den Kopf nach hinten an den Säulenfuß. Sein Blick fiel auf den Teil darüber. Graues Gestein, das sich nach allen Seiten verbreiterte, rund und mit Längsrillen so dick wie ein Bein.
    Daa’tans Herz machte einen Satz. Er sprang auf, lief ein paar Schritte nach vorn und drehte sich um.
    Und da war sie, die Lotosblume, die er suchte!
    Ein gigantisches Steinmonument, mit einem Säulenfuß als Blütenstängel und einem nach rechts geknickten Blatt, so groß wie ein Zimmer. Das Ganze sah genauso aus wie das Zeichen auf seinem Messer!
    Daa’tan zögerte nicht lange. Nuntimor musste irgendwo im Inneren sein, keine Frage! Also begann er zu klettern, und als er das abgeschrägte Riesenblatt erreichte, wurde aus dem befreiten Lächeln auf seinem Gesicht ein Strahlen: Am steinernen Blattansatz, gut verborgen von hoch stehenden Blütenrändern, war ein Eingang!
    Daa’tan befand sich etwa sechs Meter über Bodenniveau. Doch er dachte in seiner Euphorie nicht über Gefahren nach. Er setzte sich mit der Fackel in der Hand auf die Blattschräge und rutschte einfach los, der dunklen Öffnung entgegen.
    Daa’tan schrie unwillkürlich auf, als er hinein glitt.
    Nach zehn Metern schrie der Junge noch immer – und da hatte er den Boden noch nicht erreicht.
    ***
    1798 n.Chr.
    Mehr als sechshundert Jahre war es her, dass Nuntimor in Palästina verloren gegangen war. Das Schwert tauchte nicht mehr auf; Richard Löwenherz war sieglos nach England zurückgekehrt, und die einstmals große Bruderschaft der Custoden zerfiel. Nur eine Handvoll Adeliger aus Cornwall wollte nicht loslassen. Im Stammbaum dieser unterschiedlichen Häuser war ein gemeinsamer Vorfahre verzeichnet: Emrys – der Schmied, der Nuntimor gefertigt hatte.
    Diese letzten Custoden stellten Nachforschungen an, was im Hochmittelalter keine leichte Aufgabe war und lange ohne Erfolg blieb. Erst jetzt, als die Suche nach dem Schwert bereits uralte Familientradition war, stieß man auf eine Spur: Nuntimor war auf abenteuerlichen Wegen durch den Orient gewandert und befand sich nun in der Hand des Mamelukkenführers Murad Bey.
    Die Welt hatte sich verändert. Statt Kreuzrittern und Gralssuche gab es heutzutage Bildung, Aufklärung, neue Staatsformen und Rokoko-Schlösschen. Schwerter waren längst aus der Mode. Nur der Krieg war geblieben. Er wurde mit Kanonen und Vorderladern geführt.
    Am 9. April, einen Tag bevor das englische Flaggschiff Vanguard in See stach, erhielt ihr Befehlshaber Horatio Nelson unerwarteten Besuch. Der junge Konteradmiral war erstaunt, als Joseph Bellard an Bord kam. Lord Bellard gehörte zum Dunstkreis der königlichen Familie, und nur deshalb hörte sich Nelson eine Geschichte an, die er für haarsträubenden Unfug hielt. Sie handelte von einer Bruderschaft und einem verschollenen Schwert, das für England von größter Bedeutung war. Angeblich brachte es Glück im Kampf.
    Nelson war ein kühler Stratege, der nicht auf Glück vertraute, sondern auf sich selbst. Doch es wäre politisch unklug gewesen, Bellard zu verärgern, und so sagte er zu, als der Mann aus Cornwall eine merkwürdige Bitte vortrug. Dann ging Nelson wieder an die Arbeit.
    Die Nachwehen der französischen Revolution hatten Napoleon Bonaparte hervorgebracht, einen rücksichtslosen Emporkömmling. Er war gefährlich, das hatte man selbst in Frankreich begriffen. Deshalb schickte ihn das Direktorium
    (die französische Übergangsregierung) auf einen Feldzug nach Ägypten.
    England hatte kein Interesse am Land der Pyramiden, wohl aber am Erhalt seiner Vorherrschaft im Mittelmeer.
    Nelson sollte sie sichern, indem er die Flotte der Franzosen aufrieb. Dazu musste er sie allerdings erst finden.
    Bonaparte wiederum musste in Ägypten siegen, wenn er Karriere machen wollte – und das wollte er unbedingt.
    Dabei stand ihm ein Mann im Weg: der Mamelukkenführer

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