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1784 - Rückzug oder Tod

Titel: 1784 - Rückzug oder Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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wurden mit jedem neuen Tag kürzer, sogar die Einnahme der Mahlzeiten bedeutete ihm nur noch ein lästiges Übel. Sobald er zu arbeiten aufhörte, fühlte er sich krank, bereitete quälendes Unbehagen ihm körperliche Schmerzen.
    Fast zum Greifen nahe über ihm hingen die Rohrleitungen, denen er gefolgt war, bronzefarbene, ineinander verschlungene Stränge, die sich manchmal aus sich selbst heraus zu verformen schienen. Auch jetzt hatte der Terraner den Eindruck, daß die Leitungen pulsierten. Wie Adern in einem überdimensionalen Organismus - Sievens stellte sich ernsthaft die Frage, was in ihnen transportiert wurde.
    Nährflüssigkeit?
    Vor seinem geistigen Auge entstand das Abbild einer brodelnden Zellmasse, einer gigantischen Amöbe mit schier unstillbarem Energiebedarf. Gomasch Endredde? Der angeblich göttliche Beherrscher Hirdobaans eine amorphe, aus eigener Kraft nicht handlungsfähige Kreatur?
    Sievens keuchte jäh. Ein Hustenanfall machte ihm zu schaffen. In letzter Zeit häuften sich solche Anfälle; das Gefühl zunehmender Schwäche, verbunden mit stechenden Schmerzen im Brustkorb, ließ ihn eine Infektion befürchten. Was wußte er denn schon von den Umweltbedingungen auf Zonder-Myry und den anderen Levels? Die Temperatur blieb konstant bei 16,6 Grad Celsius, nicht einmal im Tag-Nacht-Rhythmus kam es zu Schwankungen; die Schwerkraft betrug einheitlich 1,28 Gravos, und die Atmosphäre war mit 27 Prozent Sauerstoffanteil überall gut atembar.
    Unter diesen Umständen hatte er die Existenz schädlicher Mikroorganismen bislang nie in Erwägung gezogen - er war auf Zonder-Myry, um zu arbeiten, um Schäden in den weitläufigen Anlagen zu beheben. Alles andere war unwichtig. Gedanken an seine Familie, die in der Milchstraße zurückgeblieben war, verdrängte er. Ohnehin war seither eine Ewigkeit vergangen.
    Unnötige Überlegungen!
    Mit einer unwilligen Handbewegung wischte Sievens sich über das Gesicht. Er fühlte spröde Haut und kantig vorstehende Wangenknochen - eine ausgezehrte Gestalt, nur noch ein Schatten seiner selbst. Der zeitlose Geschmack von Mörtelstaub vermischte sich mit dem Sekret seiner aufgeplatzten Lippen.
    „Ich schaffe es", murmelte er im Selbstgespräch. „Ich finde den verfluchten Fehler, und dann ..."
    Erwartungsvoll starrte er zu den Rohrleitungen hinauf, von denen einige sich plötzlich zu verformen begannen. Eine Welle peristaltischer. Bewegungen schichtete das bronzefarbene Material zu dicken Klumpen, die zähflüssig den Gesetzen der Schwerkraft folgten. Schon klatschten die ersten Tropfen auf den Boden und vermischten sich mit dem Mauerschutt.
    Rasselnd sog Sievens die Luft in seine Lungen und stieß sie hart wieder aus. Obwohl seine Gedanken wild durcheinanderwirbelten, wurde ihm klar, daß die lange Suche zu Ende war.
    Die ersten Tropfen erstarrten schnell. Wie erhitztes Wachs, das sich ebenso rasch wieder verfestigte. Das Material fühlte sich nicht weniger glatt an. Sievens strich mit den Fingerspitzen über einen der Tropfen hinweg; als nichts geschah, packte er fester zu.
    Er fühlte tote Materie. Keine Spur mehr von jenem pulsierenden Fluß, den er an den Rohren beobachtet hatte. Die einzige Bewegung, die er wahrzunehmen glaubte, war das nervöse Pochen in seinen Fingerspitzen.
    Was mußte er tun? Irgendwann würden die Leitungen brechen. Sollte er Hilfe holen? Damit andere später von sich behaupten konnten, den Fehler entdeckt und behoben zu haben?
    Neue Schwäche stieg in ihm auf, verbunden mit einem wieder stärker werdenden Hungergefühl.
    Die Sättigung hielt nicht mehr lange vor.
    Walter Sievens versuchte vergeblich, das Rumoren in seinen Eingeweiden zu ignorieren.
    Nicht aufgeben! Ich bin hier, um zu arbeiten! Das allein ist wichtig.
    Stockend machte er einen Schritt vorwärts. Seine Knie zitterten.
    Weiter! Er zwang sich dazu, nicht innezuhalten. Und wenn er bald auf allen vieren durch die Unterwelt von Zonder-Myry kriechen mußte, er ließ sich nicht unterkriegen.
    Die Tropfen waren erstarrt. Nur einige Rohre zeigten noch schwache Kontraktionen. Es fiel schwer, den Kopf so weit in den Nacken zu legen, daß er die Stränge über sich erkennen konnte. Sievens verwünschte die Tatsache, daß er aus der reichlich zur Verfügung stehenden Ausrüstung nicht wenigstens einen handlichen Scheinwerfer mitgenommen hatte.
    Inmitten der Finsternis glaubte er, eine jähe Bewegung zu erkennen.
    Walter Sievens blinzelte verwirrt. Die eigenen Sinne narrten ihn. Einen Moment

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