1789 - Der Fluch aus dem Norden
Himmel. Ein paar Sterne gaben einen schwachen Glanz ab.
Ich stellte mich an die Reling und schaute aufs Wasser. Es rauschte unter mir, und ich sah die hellen Gichtstreifen auf den Wellen, die das Schiff begleiteten.
Auch Raniel ließ sich nicht blicken. Das ärgerte mich. Unterstützung wäre nicht schlecht gewesen, aber das war wohl nicht drin. Da musste man sich wirklich fragen, welche Rolle der Gerechte spielte, wenn er vor Andrax kniff. Oder der andere war so stark, dass selbst Raniel nicht gegen ihn ankam.
Ich ging wieder zurück. Suko erwartete mich und blickte mich fragend an.
»Nichts«, sagte ich.
»Und was machen wir jetzt, John? Sollen wir uns trennen? Nehmen wir uns die Decks nacheinander vor und …«
»Ach, das bringt doch nichts.«
»Dann willst du hier auf ihn warten?«
»Ja, denn von hier aus kann ich auch sehen, was auf der Brücke geschieht. Wenn er tatsächlich etwas erreichen will, muss er einen neuralgischen Punkt der Seabird angreifen.«
»Und da schwebt dir die Brücke vor?«
Ich antwortete ihm nicht sofort. »Es kann der Maschinenraum sein, in den er Feuer legt. Oder eine Bombe oder was weiß ich.«
»Mal den Teufel nicht an die Wand.«
Ich winkte ab. »Es ist aber so. Und du weißt doch, der Teufel ist immer in der Nähe.«
»Ja, will da nicht jemand den Segen der Hölle erteilen?«
»Genau das.«
Und das mussten wir verhindern. Wir warteten also, und mir kamen Zweifel, ob sich unser Gegner hier zeigen würde.
Raniel ließ sich auch nicht blicken, und so konnten wir nur warten. Ich kam mir dabei wie auf dem Abstellgleis vor.
»Was denkst du?«, fragte ich Suko.
»Andrax will den Segen der Hölle weitergeben, und ich rechne damit, dass er das Schiff in seine Gewalt bringen will.«
»Und das könnte am ehesten auf der Brücke geschehen.«
»Ja, nicht schlecht gedacht.«
»Dann lass uns noch mal hingehen. Wenn der Killer die Crew dort vernichten kann, gehört ihm das Schiff. Dann kann er mit ihm und den Passagieren machen, was er will.«
Suko hatte wahrscheinlich recht. Wer die Brücke kontrollierte, der kontrollierte auch das Schiff.
Ich schaute an ihr hoch. Die Wände aus Glas gaben mir den Blick frei. Ob sich dort etwas verändert hatte, konnten wir nicht erkennen. Aber es musste auch nicht alles harmlos sein, auch wenn das Bild es so aussehen ließ.
Suko deutete auf die weiß lackierte Treppe. Er ging als Erster. Ich folgte ihm langsamer, wobei ich immer wieder einen Blick zurückwarf.
Nichts tat sich auf dem Deck. Der Tote war nicht zu erkennen, denn er lag dort nicht so offen. So konnte er nicht so schnell entdeckt werden.
Wenn wir in der nächsten Zeit nichts finden würden, wusste ich auch nicht mehr, was wir noch unternehmen sollten.
Wir erreichten die Brücke. Suko zog die Tür vor mir auf. Wir schauten in eine uns schon vertraute Umgebung. Es herrschte die leicht angespannte Stimmung. Und doch war etwas anders geworden.
Der Geruch.
Es traf uns wie ein Schlag, als wir beide zugleich den Duft des Parfüms wahrnahmen …
***
»Verdammt, sie ist hier!«, flüsterte ich.
»Oder hier gewesen.«
»Kann auch sein.«
Niemand kam auf uns zu. Auch der junge Offizier nicht, mit dem wir vorhin gesprochen hatten. Er stand am Ruder und beobachtete dort den Bildschirm.
»So sehen wir uns wieder«, sagte ich.
»Ja.«
»Und?«
»Was meinen Sie?«
»Alles in Ordnung auch ohne den Kapitän?«
»So ist es.« Der junge Offizier lächelte. An dem kleinen Schild an seiner Uniform hatte ich seinen Namen abgelesen. Er hieß Tom Ash.
»Wie finden Sie die neue Lage denn?«
»Nicht weiter tragisch.«
»Und was sagen Sie dazu, dass auch ihr Erster Offizier noch nicht wieder zurück auf der Brücke ist?«
»Wir wundern uns schon.«
»Das sollten Sie auch. Aber ich bin nicht gekommen, um mit Ihnen zu plaudern. Ich habe etwas gerochen. Einen bestimmten Duft, der durchaus ein Parfüm sein kann. Liege ich da falsch? Oder haben Sie den Geruch nicht wahrgenommen?«
»Doch.«
»Und weiter?«
Tom Ash starrte durch die Scheibe. »Fragen Sie bitte nicht weiter. Hier ist nicht alles, wie es den Anschein hat. Sie haben recht, wenn Sie mich auf das Parfüm ansprechen. Jemand ist gekommen, sie betrat die Brücke und hat sich durch nichts aufhalten lassen. Wir wollten sie rauswerfen, was uns nicht gelang, denn sie hat einen Trumpf gezogen.«
»Wie sah der aus?«
»Das ist leicht zu sagen. Sie hielt ihn hoch, und so konnten wir erkennen, dass es sich um eine Handgranate
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