1789 - Der Fluch aus dem Norden
bin ich mir.«
»Und weiter?«
»Er wird sich Menschen suchen, die er segnen kann.«
»Und wo könnte das sein? Weißt du auch mehr darüber?«
»Ich nehme es an und gehe mal davon aus, dass er sich ein Schiff ausgesucht hat.«
»Wie …?«
»Einen Kreuzfahrer. Im Sommer fahren sie in den Norden, und da lauert er dann auf sie.«
Ich sagte erst mal nichts, weil ich sprachlos war. Wenn das alles stimmte, was er gesagt hatte, dann kam da etwas auf mich zu, das völlig aus dem Rahmen fiel.
»Du meinst, er kapert ein Schiff?«
»Falls er das nicht schon getan hat.«
»Und wenn …?«
»Muss man etwas tun!«
»Stimmt«, sagte ich und fragte: »Was hast du denn getan, Raniel?«
Er breitete die Arme aus und sagte: »Ich bin zu dir gekommen, John Sinclair.«
»Ach? Und weiter?«
»Ich würde dich gern in den Norden schaffen und dann auf ein bestimmtes Schiff.«
»Ich soll an einer Kreuzfahrt teilnehmen?«
»So ist es.«
Ich musste lachen, weil die Lage eigentlich absurd war. Da saß ich auf dem Bett, sprach mit einer Gestalt, die halb Engel und halb Mensch war und hörte von einer Kreuzfahrt, die ich unternehmen sollte. Das war kaum zu fassen.
Ich räusperte mich. »Und du bist dir sicher, dass alles so stimmt, wie du es mir gesagt hast?«
»Warum sollte ich lügen?«
»Stimmt auch wieder.« Ich lächelte breit. »Und dieser Andrax ist frei.«
»Das muss er sein, denn die Stelle, an der ich ihn damals unter dem Eis begraben habe, ist nicht mehr vorhanden. Sie ist abgetaut. Wie sagt man so schön? Es liegt an der Klimaerwärmung. Das müssen wir nun mal akzeptieren. Der Bereich um die Pole verändert sich, aber was rede ich da, das weißt du selbst.«
»Ja, so ist es.«
»Dann habe ich wohl genug gesagt.«
Ich wusste nicht, ob er genug gesagt hatte. Irgendwie hatte ich meine Bedenken. »Bist du dir denn sicher, diesen Andrax auf einem Schiff zu finden?«
»Davon gehe ich aus.«
»Aber dort oben wohnen auch Menschen. Da gibt es Land, Inseln und …«
»Halt, John, rede nicht weiter, ich weiß, was du denkst. Ich kann es auch verstehen, aber ich bin überzeugt, dass er nicht gelogen hat, denn er persönlich hat mir eine Nachricht zukommen lassen.«
»Ähm – wie das?«
»Er hat mich kontaktiert und mir genau berichtet, wo er sich aufhält. Er will, dass ich auf das Schiff komme, um mit mir abzurechnen.«
»Ist das ein Problem für dich?«
»Nein, das wäre es nicht. Aber ich sehe es anders. Dieses Schiff ist voller Menschen, und ich glaube nicht, dass einer wie Andrax wartet, bis kein Mensch mehr in der Nähe ist. Er wird kämpfen und die Menschen als Geiseln im Hintergrund nehmen. So und nicht anders wird es der Fall sein. Und ich möchte kein Blutvergießen haben. Ist das so schwer zu begreifen?«
»Nein, ist es nicht.«
»Und deshalb habe ich mir gedacht, einen Verbündeten loszuschicken. Wer könnte das besser sein als du?«
»Ja«, sagte ich. »Ja. Das habe ich verstanden. Das ist schon okay, denke ich.«
»Du bist dafür?«
»Was soll ich machen?« Ich lachte.
»Danke.«
»Und wie werden wir alles regeln?«
»Das könntest du von London aus. Ich gebe dir noch bekannt, wie das Schiff heißt.«
»Okay, dann hoffe ich nur, dass es nicht so leicht sinkt, wenn es mal gegen einen Eisberg fährt.«
»Keine Sorge, dieser Kapitän ist besser als der auf dem Schiff im Mittelmeer.«
»Will ich hoffen.«
»Dann willst du auf eine Kreuzfahrt gehen?«, fragte plötzlich Karina Grischin.
Ich hatte sie nicht gesehen und auch nicht gehört. Jetzt stand sie in der offenen Tür des Gästezimmers.
Ich sah sie nur als Schatten, doch das verschwand schnell, weil ich das Licht der Nachttischlampe einschaltete, sodass das Zimmer hell wurde.
Karina lächelte und sagte: »Das also ist dein Freund Raniel, von dem du mir schon so viel erzählt hast.«
»Ich kann es nicht bestreiten.«
»Dann freue ich mich, dich kennenzulernen«, sagte sie und fügte ihren Namen hinzu, bevor zwei Hände zu einem Druck verschmolzen …
***
Ja, da war ich wieder in London!
Olympia war vorbei, alles lief wieder normal, und auch unser Chef, Sir James, saß wieder in seinem Büro. Allerdings hatte er die letzten Wochen noch nicht richtig verkraftet, er sah recht erschöpft aus, schaffte aber trotzdem ein Lächeln.
Suko saß rechts neben mir. Er wusste bereits Bescheid, und jetzt war ich damit beschäftigt, unseren Chef zu informieren, der mir zuhörte und dessen Gesichtsausdruck sich immer stärker veränderte, je
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