1790 - Erst Feuer, dann Asche
fragte Bill.
Der Küster überlegte kurz, dann sagte er: »Eine Viertelstunde müssen Sie schon rechnen, wenn man die Strecke kennt. Tun Sie bei sich noch zehn Minuten drauf.«
»Danke«, sagte ich und schaute meinen Freund Bill an. »Wie wär’s. Sollen wir?«
»Meinetwegen immer.«
Bisher hatte sich Sean Curtis zurückgehalten, was mich schon wunderte. Jetzt bewies sein Räuspern, dass er noch da war. »Ich muss ja nicht unbedingt mit, oder?«
»Nein«, sagte Bill schnell, »das musst du nicht.«
»Okay, dann warte ich hier.«
Bill grinste. »Muffe?«
»Weiß ich nicht. Mir ist das alles nicht richtig geheuer, wenn ich ehrlich sein soll.«
»Kann ich verstehen. Ich habe früher ähnlich gedacht, aber manchmal muss man über seinen Schatten springen.«
»Ja, schon. Es ist doch nicht schlimm, wenn ich hier im Ort bleibe?«
»Überhaupt nicht«, sagte Bill, »wir kommen schon allein zurecht.«
»Danke.«
Nach dieser Antwort gingen wir und waren beide sehr nachdenklich geworden …
***
Später im Auto sprach ich Bill an. »Sag mal, Alter, ist dir der Typ nicht auch komisch vorgekommen?«
Bill wusste sofort, von wem ich gesprochen hatte. »Wenn du Sean Curtis meinst, dann war es tatsächlich seltsam, dass er sich zurückgehalten und keine Fragen mehr gestellt oder irgendwelche Bemerkungen gemacht hat.«
»Finde ich auch. Ein Typ wie er ist doch jemand, der immer dabei sein muss.«
»Kann sein.«
Ich winkte ab. »Egal, möglich, dass ich auch alles verkehrt sehe. Der Fall läuft wirklich seltsam.«
»Du sagst es.«
Mit dem Wetter hatten wir Glück. Man konnte von einem Spätsommer in Irland sprechen. Es war warm, aber nicht heiß, und es war auch nicht schwül, was uns ebenfalls sehr entgegen kam.
Weiterhin hatten wir Glück mit dem Verkehr. Auf dieser Straße hatte es bestimmt noch nie einen Stau gegeben.
Ich machte mir Gedanken über den Fall und kam wieder auf ein Problem zu sprechen. »Glaubst du, dass wirklich die Cavallo hinter allem steckt? Dass sie sich hier so etwas wie einen Stützpunkt eingerichtet hat? Sie muss ja ein Netzwerk aufbauen.«
Bill stimmte mir zu. »Ja, so kann man denken. Sie ist doch wieder okay, oder?«
»Leider.«
»Dann wird sie auch ihre Pläne durchziehen, davon bin ich überzeugt. Sie muss was tun.«
Ich nickte, sagte aber nichts und schaute mir die Umgebung an.
Menschen waren so gut wie keine unterwegs. Sanfte Hügel bildeten ein Muster aus Wellen, und in der Ferne zeigten sich die Schatten höherer Berge. Der Himmel wirkte wie blank geputzt.
Irland hat eine sehr katholische Bevölkerung. Da war es normal, dass hin und wieder eine kleine Kapelle in der Landschaft stand. Wir sahen auch die Kreuze am Wegesrand, die darauf hinwiesen, dass an den Stellen etwas Schreckliches passiert war und ein Mensch sein Leben verloren hatte.
Unser Weg war uns gut beschrieben worden. Wir sahen die Kapelle – ein kleiner Bau mit Spitzdach — und auch den schmalen Weg, der von der Straße abging, durch eine grüne Fläche führte und auf ein Haus zulief.
Ich war sehr zufrieden und lenkte den Wagen von der Straße. Da es etwas länger nicht geregnet hatte, war der Untergrund recht trocken, was unserer Fahrt entgegen kam. Dass wir hin und wieder auch Staubwolken aufwirbelten, das machte uns nichts.
Das Haus stand allein, und wir waren gespannt, was dieser Cedric Wayne für ein Typ war. Gehört und gelesen hatte ich von ihm noch nichts, wahrscheinlich war er ein Autor, der seinen Bekanntheitsgrad auf der lokalen Ebene hatte. Auf den letzten Metern wurde der Weg steiniger und verwandelte sich in eine Buckelpiste. Es schüttelte Bill und mich ganz schön durch.
Ich ging davon aus, dass der Typ unseren Wagen bereits gesehen hatte. Wenn das zutraf, zeigte er es nicht. Es wurde keine Tür geöffnet und es kam uns auch niemand entgegen.
So rollten wir auf das Haus zu und stoppten dicht vor einem eingezäunten Areal, in dem sich eine kleine Wetterstation befand. Der Mann schien vielseitig interessiert zu sein.
Wir stiegen aus, drehten uns dem Haus zu und sahen erst jetzt, dass jemand die Tür geöffnet hatte und sich davor aufhielt. Es musste der Autor sein.
Er sagte nichts. Er schaute nur. Dann nickte er uns zu, als wären wir gute Bekannte.
Der Mann sah nicht aus wie jemand, der allein in der Einsamkeit lebte. Er machte auf uns einen völlig normalen Eindruck, trug Jeans und ein längeres Hemd, das ihm bis über den Gürtel reichte.
Er war groß und wirkte mehr wie ein Farmer
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