18 - Orangen und Datteln
nehmen und meine Schwester sein? Sage ‚Ja‘, du lieblichste unter den Blumen dieses Landes!“
Sie erglühte bis unter das Mieder, und ich neigte besorgt das Ohr zu ihr herab.
„Soll dies wirklich mir gehören?“ fragte sie.
„Ja es ist dein. Darf ich nun dein Bruder sein?“
„Du darfst!“ hauchte sie.
„So nimm deine Habayah um, und folge mir!“
Jetzt war ich sicher. Ich hatte ihre Stirn mit meinen Lippen berührt, und sie hatte mein Geschenk angenommen.
„Willst du mir deinen Namen sagen?“ bat ich.
„Ich heiße Dschumeilah.“
„So komm mit, Dschumeilah! Wo wohnt der Scheik dieses Urdi (Lager)?“
„Hier.“
„Hier? Ist er dein Vater?“
„Nein, er ist der Bruder meines Vaters, welcher Scheik der Mescheer von Hadscheb el Aïun und Hamra Kamuda ist.“
„So bist du selbst auch Gast in diesem Zelt?“
„Ja.“
Das war mir noch lieber, denn der Freund eines Gastes muß noch mehr geachtet werden, als der eigene Freund und Gast. Ich warf dem Mädchen die Habayah über und zog sie aus dem Zelt. Draußen stand mein Pferd, bereits bis auf die bloße Haut ausgeplündert; es war von vielen Beduinen umringt, welche seinen Gliederbau prüften. Und da vorn am Eingang des Lagers erschien soeben der Scheik Ali en Nurabi und der Engländer, beide als – Gefangene.
„Seit wann haben sich die tapferen Beni Mescheer angewöhnt, ihre Gastfreunde auszuplündern?“ rief ich mit lauter Stimme. „Wo ist der Bei el Urdi, der Herr und Anführer dieses Lagers?“
Ein alter Beduine trat hervor.
„Ich bin es. Was willst du?“ sagte er.
„Siehe hier Dschumeilah, die Rose von Hamra Kamuda! Sie nennt mich ihren Bruder und trägt mein Geschenk in ihren Haaren. Sie hat mich in deinem Zelt aufgenommen, und du erlaubst deinen Männern, mein Pferd zu berauben? Siehe hier den Schatten deines Zeltes, o Scheik; wenn er um eine Handbreit fortgerückt ist bis hierher, wo ich das Messer in die Erde stecke, so wird derjenige an dem Messer sterben, der dann noch etwas besitzt, was mir gehört!“
Ein lautes Murren erhob sich ringsum, und aus dem Haufen rief eine Stimme: „Glaube ihm nicht, o Scheik! Er ist ein Lügner, ein Giaur, in dessen Leib der Scheïtan wohnt!“
Es war der Krumir, der diese Worte sprach. Ich beachtete sie nicht. Der Scheik fragte das Mädchen: „Tochter meines Bruders, hast du diese Geschenke von ihm genommen?“
„Ja, er ist ein Diff rebbi (von Gott gesandter Gast), der unter deinem Schutz steht.“
„Du sendest Sorgen auf mein Haupt; aber dein Wort ist mein Wort, und dein Bruder ist mein Bruder. Gebt ihm alles zurück, was ihr genommen habt; er ist wie ein Sohn der Uëlad Scherehn!“
Dann trat er zu mir und reichte mir seine Hand.
„Habakek – sei uns willkommen! Dein Fuß mag ein und aus gehen bei uns, wie es ihm gefällig ist. Dein Freund ist mein Freund, und dein Feind mein Feind; so ist das Recht, welches dir, dem Gast gehört.“
„Ich glaube es und vertraue dir, o Scheik. Aber warum nimmst du dann meine Freunde gefangen?“ fragte ich, auf Ali en Nurabi und den Engländer deutend.
„Sind diese Männer deine Freunde?“
„Sie sind es.“
„Ich weiß noch nicht, wie sie in dieses Lager kommen. Ich war bei den Herden und bin erst hier eingetroffen, als du aus dem Zelt tratest. Ich werde untersuchen, was recht und billig ist. Man rufe die Ältesten zur Beratung zusammen!“
Da erhob sich am Eingang des Lagers ein Angstgeschrei. Ich blickte hin und sah Achmed es Sallah auf dem Hedschihn zwischen den Zelten herbeigestürmt kommen, daß alles auseinanderflog. Er hatte die Hähne seiner Pistolen gespannt und rief: „Sihdi, Sihdi! Wo ist mein Effendi? Hier ist Achmed es Sallah!“
Ich sprang vor und winkte ihm. Sofort hielt er sein Dschemmel an, ließ es knien, sprang herab und umarmte mich. Der brave Kerl hatte mich wirklich tief in sein treues Herz geschlossen.
„Bist du gefangen, Sihdi?“ fragte er.
„Nein.“
„Sind es die andern?“
„Nur einstweilen.“
„Wo ist Mochallah, die Geraubte?“
„Sie ist hier, denn dort steht der Räuber.“
Ich zeigte auf den Krumir, welcher mit finsteren Blicken bei einigen Mescheers stand. Achmed wollte sich auf ihn stürzen.
„Ich werde ihn zermalmen!“ drohte er.
„Halt“, sagte ich, ihn festhaltend. „Er ist so gut der Freund der Beni Mescheer wie ich. Die Dschema wird über ihn entscheiden.“
„So entscheide sie schnell, sonst verschlingt ihn meine Rache!“
Die beiden Gefangenen waren in ein Zelt
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