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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wiederaufgenommen, leider aber hatte sie doch nicht das Ergebnis, welches ich erwartet hatte. Man beschloß nämlich, nach Hadscheb el Aïun, Hamra Kamuda, Karaat el Aatasch und Sihdi du Ghemen zu senden, um die Ältesten der anderen Mescheerstämme herbeizurufen. Sie sollten die schwierige Angelegenheit entscheiden, und bis dahin sollte alles in der gegenwärtigen Lage verbleiben. Einige Vorteile erreichten wir doch: der Krumir durfte das Lager nicht verlassen; Ali en Nurabi und Achmed es Sallah konnten Mochallah besuchen, und die sechzig Sebira erhielten die Erlaubnis, in das Duar einzureiten, mußten sich aber selbst verpflegen. Die Milchstute freilich blieb noch Saadis Eigentum; auch behielt dieser die Aufsicht über Mochallah, welche ihr Zelt nicht verlassen durfte. Ich selbst blieb der Gast des Scheik, während der Engländer es vorzog, mit den Uëlad Sebira im Freien zu kampieren. Das Hedschihn war wieder in den Besitz von Ali en Nurabi übergegangen.
    Die Verhandlung hatte eine sehr lange Zeit in Anspruch genommen. Als die Sebira eingeritten waren und alles sich in Ordnung befand, neigte sich die Sonne bereits dem westlichen Horizont zu, und ich sah, daß man große Haufen des scharfen Halfagrases und stachelige Mimosen herbeischaffte, um beim Einbruch der Dunkelheit zahlreiche Feuer anzuzünden. Vor seinem Zelt stand der Scheik – Mohammed er Raman war sein Name – im Kreis vieler junger Männer; er hielt eine Anzahl Grashalme in der Hand und ließ die Männer von denselben ziehen. Ich trat hinzu.
    „Worüber zieht ihr das Los?“ erkundigte ich mich.
    „Herr, über eine schlimme Sache. Oh, wenn uns deine Wunderflinte helfen könnte!“
    „Erzähle mir, gegen wen soll ich euch helfen?“
    „Das darf ich dir nur ganz leise sagen.“ Er näherte sich meinem Ohr, hielt die Hand vor den Mund und flüsterte: „Gegen Areth, den Löwen!“
    Der Beduine hat nämlich einen eigentümlichen Aberglauben: er sagt nämlich das Wort Areth, Löwe nur ganz leise; er glaubt, wenn er es laut sagt, so höre es der Löwe und komme in der nächsten Nacht herbei. Die verschiedenen Beinamen des Löwen werden in einigen Gegenden auch laut ausgesprochen.
    „El Areth ist hier?“ fragte ich. „Wo hält er sich auf?“
    „Allah illa Allah, ïa Allah il Allah! Rede leise, Emir, sonst kommt er herbei und verschlingt uns!“ rief er erschrocken. „Gott hat uns schrecklich heimgesucht. Wir weideten am Dschebel Tiuasch, da kam der Herr mit dem dicken Kopf (Löwe) und fraß unsere Rinder und Schafe; wir flohen nach dem Dschebel Semata; er folgte uns und fraß sogar unsere Söhne; nun flohen wir nach dem Dschebel Rökada; er ging mit uns und würgte grimmiger als zuvor.“
    „Warum habt ihr ihn nicht getötet?“
    „Wir zogen gegen ihn aus zu hundertzwanzig Mann; wir haben ihn verwundet; aber vier unserer Krieger hat er zerrissen; die andern rannten fort von ihm. O, Emir, er ist schrecklich! Nun flohen wir hierher gegen den Dschebel Schefara. Wir glaubten, es werde ihm hier nicht gefallen, weil hier wenig Wasser ist, und der König des Donners (Löwe) trinkt sehr gern. Aber er folgte uns dennoch nach. Nun hat er sich eine Frau genommen, die ihm Kinder gegeben hat; darum braucht er sehr viel Fleisch und kommt alle Nächte, um es sich zu holen. Allah hat sein Angesicht von uns abgewendet; wir werden verderben, wenn wir nicht tiefer in die Wüste ziehen, und wenn wir dies tun, so müssen unsere Herden verdursten.“
    Ich glaubte ihm seine Klage Wort für Wort. Der Araber wird es niemals wagen, sich dem Löwen allein gegenüberzustellen, wie es der kaltblütige Nordländer tut, die sichere Büchse in der Hand. Erst wenn ihm der König der Tiere einen beträchtlichen Teil seiner Herde abgeschlachtet hat, ruft er seine Genossen zur Jagd. Dann tun sich möglichst viele Beduinen zusammen, um das Tier in seinem Lager aufzusuchen. Man erhebt ein infernalisches Geschrei; man wirft mit Steinen; man jagt dem Tier die beleidigendsten Schimpfwörter an den Kopf. Wenn es sich dann sehen läßt, so reitet und jagt alles wirr und aufgeregt durcheinander. Man schießt auf das Geratewohl; man wirft mit Speeren, man sendet nutzlose Pfeile aus der Ferne. Glücklicherweise verblutet sich der Löwe an der Menge kleiner Wunden, nie fällt er von einer einzigen, kaltblütig gezielten Kugel, und stets wird sein Tod mit dem Leben mehrerer Menschen bezahlt. Man flieht schließlich mit den Herden aus einer Gegend in die andere; der Löwe geht mit, und die

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