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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nächsten Moment sah ich sein Messer. Schon erhob ich die Pistole, um ihn vom Pferd zu schießen, denn ich glaubte, die Klinge sei für Mochallah bestimmt; aber ich ließ es wieder sinken, denn der Stoß galt nur dem Pferd. Er versetzte ihm einen leichten Stich, um es zu größerer Anstrengung anzuspornen. Es gelang ihm. Der Schimmel machte einige konvulsivische Sätze und legte eine Pferdelänge mehr zwischen sich und den Rappen. Dennoch mußte ihn der letztere erreichen, daß war außer allem Zweifel. Sollte ich den Menschen erschießen? Das widerstrebte mir. Er konnte sich nur schwer verteidigen, da er das Mädchen zu halten hatte, und ich sah auch nicht, daß er nach einer Waffe griff.
    Da plötzlich stieß er einen lauten Schrei aus und bog nach links hinüber. Während unseres Parforcerittes hatte der Sand des Bodens aufgehört und ein erst dünner, dann aber immer dichterer Graswuchs war an seine Stelle getreten, ohne daß ich darauf geachtet hätte. Jetzt sah ich plötzlich da drüben Herden weiden und im Hintergrund Zelte stehen! Der Krumir war sehr wahrscheinlich gerettet, wenn er diese erreichte. Schon sah ich Reiter uns entgegen kommen.
    „Halt, sonst schieße ich dich vom Pferd!“ rief ich, die Pistole erhebend.
    Da faßte er Mochallah und setzte ihr das Messer an die Brust.
    „Schieß, Hund, wenn du sie töten willst!“ antwortete er.
    Ich durfte es nicht wagen. Jetzt legte ich dem Rappen nochmals die Hand zwischen die Ohren – aber nein, da hätte ja dieser Mensch das Wort meines Geheimnisses gehört! Wir schossen zwischen den Herden und den Reitern hindurch; ich sah die Zelte mit Gedankenschnelligkeit näherfliegen; jetzt, jetzt war ich an seiner Seite; jetzt faßte ich ihn am Arm; da riß er sein Pferd in die Häksen, und ich flog weiter, durch die Vehemenz des Rittes von ihm weggerissen.
    Ein lautes Hohngelächter erscholl. „Saadis el Chabir!“ hörte ich rufen. Ich zügelte den Lauf meines Pferdes, riß es herum und kehrte zurück. Ich befand mich inmitten eines großen Beduinenlagers, und hundert Gewehre waren auf mich gerichtet, zwanzig Fäuste streckten sich nach mir aus. Ich war ganz in der Lage eines Falken, der bei Verfolgung einer Taube durch die Fenster in die Stube geraten ist.
    „Schießt ihn nieder!“ schrie der Krumir. „Er ist ein Hund, ein Giaur, ein Verräter, der mich töten wollte!“
    Ein Blick sagte mir, daß Gegenwehr mir nichts fruchten könne. Diese Leute waren Bekannte des Krumirs; hier konnte mich nur das retten, was auch ihn bei den Sebira gerettet hat. Nicht weit von mir hatte sich ein Zelt geöffnet, und unter demselben erschien eine Frau, an ihrer Seite ein junges, vielleicht siebzehnjähriges Mädchen. Dieses letztere trug weiße weite Pantalons und ein kurzes ärmelloses Jäckchen. Goldene Krollkralls (Spangen) schmückten ihre Hand- und Fußgelenke; um den Hals trug sie eine Kette von Silberstücken und Gewürznelken, und die langen, langen Dafirah (Zöpfe) waren mit Perlen und kleinen Münzen durchflochten. In der einen Hand hielt sie die lange Habayah (Überkleid) und in der andern ein mit Flittern gesticktes Kiladh (langes Halstuch). Sie war also wohl gerade bei der Toilette gewesen, als sie der Lärm aus dem Zelt rief. Sofort schwang ich mich von Pferd, warf die Umstehenden auseinander und sprang auf die beiden Frauen zu.
    „Fi hard el harime – ich bin unter dem Schutz der Frauen!“ rief ich laut und huschte in das Zelt hinein.
    Draußen hörte ich die Rufe des Ärgers. Die beiden Beduininnen waren mir gefolgt und blickten mich ganz ratlos an.
    „Bist du ein Weib?“ fragte ich das Mädchen.
    „Nein.“
    „Bist du die Braut eines Jünglings?“
    „Nein.“
    „So sollst du meine Schwester sein, wie ich dein Bruder bin!“
    Ich zog sie an mich und küßte sie auf die Stirn. Das war mehr als Kühnheit, das war Verwegenheit. Wenn das folgende nicht glückte, so war ich verloren. Ich band den Shawl, der mir als Gürtel diente, ab; ich benutzte ihn als Aufbewahrungsort verschiedener Kleinigkeiten, die ich zu gelegentlichen Geschenken bestimmt hatte.
    Es waren verschiedene Quincaillerien, billige Sachen, die man für kaum eine Mark bekommt, welche aber in jenen Gegenden einen hohen Wert besitzen. Ich zog eine Halskette von unechten Korallen und zwei Haarnadeln hervor, an denen große Perlmutterschmetterlinge befestigt waren, hing ihr die erstere um den schönen, vollen Hals und steckte ihr die letzteren in das dunkle Haar.
    „Willst du dieses

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