18 - Orangen und Datteln
Doch jetzt, jetzt vernahm ich über mir ein beinahe unhörbares, schleichendes Geräusch. Das Tier befand sich auf dem Felsen, um von da aus seine Beute im Sprung zu erreichen. Jetzt hörte ich, wie es seine Krallen an dem Stein wetzte, dann – ein Sprung – ein dunkler Körper schnellte herab unter die Schafe – ein kurzer, blökender Todesschrei – und der Panther stand hochaufgerichtet inmitten der Hürde, unter seiner rechten Vordertatze lag das getötete Schaf. Es war ein ungewöhnlich großes, gewaltiges Exemplar, wie ich fast keinen Jaguar gesehen hatte, und, wie ich sofort bemerkte, allerdings ein Weibchen.
Den Kopf erhebend, stieß jetzt das Raubtier seinen Siegesruf aus, jenes in fürchterlichen Kehltönen erschallende, zusammengezogene A – uuhh – a-oorrrr, welches in einem tiefen, grollenden Schnurrlaut zu endigen pflegt. Noch aber war der Ruf nicht ausgeklungen, so krachte meine Büchse. Die weit geöffneten, in grünlichem Licht rollenden Augen hatten mir ein sicheres Ziel geboten. Mit dem Schuß verklang das Brüllen; das Tier machte einen jähen Satz nach dem Spalt und brach da hart vor meinen Füßen zusammen. Wie ich später sah, war ihm meine Kugel in das Auge gedrungen.
Der Schuß hatte aber noch einen andern Erfolg. In der Ferne ertönte ein heiserer, wilder Schrei und nach wenigen Sekunden ein kurzes abgerissenes Brüllen aus größerer Nähe. Das Männchen nahte, durch meine Büchse zur Hilfe herbeigerufen.
Ich hatte schon – der Vorsicht wegen – den Henrystutzen in die Hand genommen, um die zweite Kugel des Bärentöters für diesen Fall zu sparen. Rasch nahm ich den letzteren wieder auf und legte an. Ein schlanker, geschmeidiger Tierkörper kam in langen Sätzen herbeigeschnellt und hielt außerhalb der Hürde an, grad mir und dem gefallenen Weibchen gegenüber. Der Panther mußte trotz des zweifelhaften Sternenlichtes uns beide bemerken, denn er duckte sich unter einem grimmigen Schnaufen zur Erde nieder, um zum Sprung auszuholen. Noch sah ich jetzt seine Augen glühen, im nächsten Augenblick mußten sie sich im Momente des Sprunges schließen. Ich drückte los. Mitten in der blitzenden Beleuchtung durch den Schuß flog das Tier empor und kam hart am Spalt zum Boden nieder. Aber schon hatte ich den Stutzen ergriffen; ich konnte aus seinem Lauf, ohne zu laden, fünfundzwanzig Schüsse hintereinander abgeben. Ich hielt die Mündung grad an den Kopf des Panthers und drückte ein-, zwei-, dreimal los. Schon der erste Schuß war, wenn auch nicht sofort, tödlich gewesen; ein konvulsivisches Zittern ging durch den Körper des Tieres, dann lag es regungslos gestreckt zu meinen Füßen.
Ich lud zunächst wieder und trat dann hinaus. Die beiden Raubtiere lagen aufeinander und waren, besonders das weibliche, so groß und schwer, daß ich sie nur mit Anstrengung zu bewegen vermochte. In einiger Entfernung bellte ein Schakal sein heulendes ‚ia – ou, ia – ou‘; er wußte die Panther in der Nähe und glaubte, sich Hoffnung auf den Nachtisch machen zu dürfen. Er ist ein treuer, aber furchtsamer Begleiter der großen Räuber des Tierreiches und nimmt gern fürlieb mit den Brosamen, die von des Reichen Tische fallen.
Als ich im Serai ankam, fand ich alle Gäste noch wach. Es war für sie ein unglaublicher Gedanke, daß ein einziger Mensch mitten in finsterer Nacht sich an den Panther wage, der beinahe noch gefürchteter ist als der Löwe. Die mit Angst gepaarte Neugierde hatte sie wach gehalten, doch mußte sie meine Schüsse vernommen und also gemerkt haben, daß ich mich wenigstens nicht ohne Gegenwehr von dem ‚fürchterlichen Weibe‘ verschlingen ließ.
Bei meinem Eintritt sahen sie mich an, als sei ich ein Gespenst.
„Maschallah, tausend Schwerebrett, da ist er, wie er leibt und lebt!“ rief Josef Korndörfer, indem er voll Freude auf mich zugesprungen kam.
„Marhaba, Sihdi, willkommen Herr“, meinte der große Hassan. „Du hast klug gehandelt. Wir haben deine Schüsse gehört, und die Frau des Panthers, die sie vernommen hat, wird diese Nacht von der Hürde bleiben.“
„Ich danke dir, Sihdi“, stimmte auch der Seraidschi ein, „daß du meine Herde beschützt hast. Die Räuber werden heute nicht kommen, denn du hast dich in die Finsternis gewagt und sie durch die Stimme deines Gewehres gewarnt!“
Man war also der Meinung, daß ich geschossen hatte, bloß um die Raubtiere abzuschrecken.
„Die Frau des Panthers ist mit ihrem Mann gekommen, Kawedschi“,
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