Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
bei aller Enthaltsamkeit wohl eine ganze Woche lang täglich einen Weg von vierzehn bis sechzehn deutschen Meilen zutrauen kann. Ja, bei den Tuareg trifft man Kamele, welche noch mehr zu leisten vermögen. Ich erkannte diese Rasse an den zierlichen Formen, dem verständigen Auge, der breiten Stirn, den herabhängenden Unterlippen, den kurzen, stehenden Ohren, dem kurzen, glatten Haar und der Farbe desselben, welche bei dem Bischarin entweder weiß oder lichtgrau, manchmal auch falb und zuweilen gefleckt ist wie bei der Giraffe.
    Diese kostbaren Tiere gehörten jedenfalls nicht in das arme Zeltdorf, sondern sie waren wohl das Eigentum von fremden Beduinen, welche im Duar als Gäste weilten.
    Wir eilten auf das Duar zu.
    Es wäre eine ganz unverzeihliche Beleidigung für den Besitzer des ersten Zeltes gewesen, wenn wir an diesem vorübergeritten wären, um in einem der folgenden Aufnahme zu suchen. Der Bewohner der Steppe ist ein geborener Dieb und Räuber, aber das Gastrecht hält er noch ebenso hoch und heilig, wie es den biblischen Erzvätern galt, von denen er ja seine Abstammung herleitet.
    Als wir hielten, wurde das alte, vielfach zerfetzte Tuch, welches den Eingang bedeckt, beiseite geschoben, und ein Mädchen trat heraus, um uns zu begrüßen. Sie war unverschleiert; die Frauen der Wüstenaraber sind weniger diffizil als die Weiber und Töchter der Mauren (Städtearaber). Ihr Haar war in dichte Dafira (Flechten) geordnet, welche mit roten und blauen Bändern durchflochten waren. Um die Hüften trug sie den Rahad, einen schmalen Gürtel, von welchem eine große Anzahl Lederstränge bis über das Knie herabfiel und so einen Rock bildete, welcher mit Korallen, Bernsteinstücken und Kaurimuscheln verziert war. Um den Hals trug sie den Kharaz, eine vielfache Schnur von Glasperlen und allerlei Münzen. Von den Schultern hing ein leichter Überwurf bis zu dem Gürtel herab. In den kleinen Ohren hingen goldene Ringe von enormer Größe; an den Füßen oberhalb der Knöchel glänzten silberne Spangen, und um die Gelenke der feinen Hände, deren Fingernägel mit Hennah gefärbt waren, wanden sich starke Ringe von Elfenbein, deren weißer Glanz sehr hübsch gegen die warmen Töne der braunen Haut abstach, welche der schönsten florentinischen Bronze nichts nachgab.
    „Marhaba ia Sihdi, du sollst willkommen sein, o Herr“, klang ihr Gruß, und zugleich reichte sie zur Bekräftigung desselben meinem Kamel eine Handvoll Waëdydatteln dar.
    Hinter ihr kam ein alter Mann zum Vorschein, der uns mit neugierigen und verwunderten Blicken musterte. Sein sonnengebräuntes Gesicht war voller Falten und seine ausgedorrte Gestalt tief gebeugt. Er mochte wohl an die neunzig Jahre zählen.
    „Sallam aaleïkum“, grüßte ich ihn, die Hand zur Brust erhebend. „Hast du ein wenig Raum für uns, wo wir das Haupt zu einer kurzen Ruhe niederlegen können?“
    „Marhaba ia Sihdi, willkommen, o Herr! Unser armes Zelt hat der Gäste bereits drei, doch ist noch Platz für dich. Steige ab und erlaube mir, dir einen Hammel zu schlachten!“
    „Dein Herz ist voller Wohltat, und dein Zelt steht offen dem Wanderer; du bist ein guter Sohn des Propheten und ein Liebling Allahs, der dir viele Jahre des Lebens geschenkt hat; doch sollen deine Gäste die Güte deiner Seele ganz besitzen. Erlaube mir, zu einem andern Zelt zu gehen!“
    „Willst du mich beschimpfen, Sihdi? Was habe ich dir getan, daß du mein Zelt verschmähest? Steig herab vom Tier, welches bereits ein Gast der Tochter meines Sohnes ist, und lege dich bei mir zur Ruhe!“
    Er ergriff das Halfter des Kameles und gebot ihm durch das gebräuchliche, kehllautende „khe, khe“, niederzuknien.
    Ich stieg ab und wurde in das Zelt geführt, wohin auch Josef und Hassan bald nachfolgten. Längs der Wand desselben zog sich das Serir herum, ein sich nur wenig vom Boden erhebendes gitterartiges Gerüst aus leichtem Holz, welches mit Matten und Hammelfellen bedeckt war. Das bildete den Diwan und das Bett für die ganze Familie nebst den etwaigen Gästen. Im Hintergrund des Zeltes waren Sättel und Schilde aufbewahrt; an den Pfählen hingen Waffen, Schläuche, lederne Eimer und allerlei wirtschaftliches Gerät, und die Wände selbst waren mit künstlich geflochtenen Bechern, Giraffenhäuten, Bouquets von Straußenfedern und vorzüglich mit Schellen und Klingeln geschmückt. Diese letzteren sind in arabischen Zelten sehr gebräuchlich und machen in stürmischen Nächten eine dem ermüdeten

Weitere Kostenlose Bücher