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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wanderer sehr unwillkommene Musik. Der Wind bewegt das ganze Zelt, das Metall der Schellen erklingt und bildet die Begleitung zum Krachen des Donners, zu dem Stöhnen der Kamele, dem Blöcken der Schafe, dem Gebell der Hunde und dem Heulen der wilden Tiere.
    Ich nahm auf den Matten Platz. Der Alte hatte die Pantherfelle gesehen; das Gesetz der Gastfreundschaft verbot ihm, nach meinem Namen und Herkommen zu fragen, aber wissen durfte er, wie ich in den Besitz dieser kostbaren Beute gekommen war. Mit der dem unzivilisierten Menschen eigenen Schlauheit wußte er das Gespräch auf diesen Gegenstand zu bringen.
    „Ruhe dich aus, Sihdi, bis Fleisch und Kuskussu bereitet sind.“
    Kuskussi ist ein aus grob gemahlenem Weizenmehl bereitetes Lieblingsgericht der Araber.
    „Ich danke dir, Vater“, entgegnete ich. „Ich esse Fleisch und Kuskussu nur des Abends, wenn ich die Reise des Tages beendet habe. Gib mir und meinen Dienern Wasser und ein wenig Bsissa (Brot, von Mehl und getrockneten Datteln gebacken).“
    Das Mädchen brachte mir das Bsissa.
    „Das Wasser des Birket ist schlecht, Sihdi. Willst du nicht einen Becher Kamelmilch oder Lagmi (Dattelsaft) trinken?“ fragte sie.
    „Eddini Lagmi, gib mir Lagmi, Ambr el Banat, du Zierde der Mädchen!“ Sie brachte mir einen Lederbecher voll des erquickenden Getränkes. Der Alte wartete, bis ich getrunken hatte, und fragte dann:
    „Du wirst bleiben viele Tage in der Hütte deines Freundes?“
    „Ich werde sie verlassen, sobald ich ausgeruht habe.“
    „So willst du reiten des Nachts, wenn die Stimmen der wilden Tiere erschallen und der Panther Mensch und Djemmel zerreißt? Bleib bei uns, Sihdi, denn dein Tod würde auf meine Seele fallen!“
    Ich mußte dem guten Alten sein Verhör erleichtern.
    „Der Panther wird mich nicht zerreißen. Hast du nicht sein Kleid auf meinen Tieren gesehen?“
    „Ich habe es gesehen, daß Kleid des Panthers und seiner Sultana.“
    „Nun wohl, ich habe ihn und sie getötet beim Sternenschein am Fuhm-es-Sahar.“
    „Den fürchterlichen Panther am Fuhm-es-Sahar, der schrecklicher war als alle Panther der Steppe? Sihdi, du bist ein Held, ein großer Krieger! Wie viele Männer sind bei dir gewesen?“
    „Keiner. Ich habe ganz allein mit dem Panther und seiner Frau gesprochen.“
    „Ganz allein? Allah akbar, Gott ist groß, und du bist ein Akhu (Bruder, Genosse) des großen Emir-el-Areth, der im Wed-el-Kantara ertrank!“
    „Ich bin ein Franke wie er und habe eine Büchse, welche dieselben Worte spricht wie die seinige.“
    „Ein Franke bist du und ein Jäger, wie der Emir-el-Areth? Dann muß ich dir etwas sagen, was deine Seele erfreuen wird!“
    Er war plötzlich ernst geworden und trat mit geheimnisvoller Miene ganz nahe zu mir heran. Die zwei hohl gebogenen Hände wie ein Sprach- oder Hörrohr an meine Ohren haltend, legte er den Mund an sie und flüsterte so leise, daß ich es kaum zu verstehen vermochte:
    „Kennst du Assad, den Aufruhrerregenden?“
    Ich nickte und blickte ihn erwartungsvoll an.
    „Kennst du Assad-Bei, den Herdenwürger?“ fragte er in derselben Weise.
    Ich nickte zum zweiten Mal bejahend mit dem Kopf, und er fuhr fort:
    „Er ist unserer Herde gefolgt schon lange Zeit und hat uns die besten Tiere geraubt; erst in der vergangenen Nacht holte er wieder ein Rind für sich und seine Frau; aaïb aaleïhu, Schande über ihn!“
    Der leise Flüsterton war mir nicht unbegreiflich. Der Araber hat einen außerordentlichen Respekt vor dem Löwen; so lange das gewaltige Tier noch lebt, nennt er es mit den hochtrabendsten und ehrendsten Namen, um es ja nicht zu beleidigen und zur Rache herauszufordern; ist es aber getötet, so bewirft er es mit den demütigendsten Schimpfworten und tut ihm alle möglichen Beleidigungen an. Er fürchtet die Stärke und Zähigkeit des Königs der Tiere und läßt sich lange Zeit von ihm berauben, ehe er sich zu einem Angriff entschließt, der bei der gebräuchlichen Weise der Araber meistens mehrere Menschenleben kostet.
    Der sonst so tapfere und unerschrockene Sohn der Wüste wagt es nämlich nie, wie der kühne europäische Jäger zu tun stets vorzieht, den Löwen allein anzugreifen. Es treten sämtliche waffenfähige Männer des Duars oder der Dachera (Gebäudedörfer) zusammen, suchen das Lager des Tieres auf, locken es durch lärmendes Rufen, Brüllen, Pfeifen, Schießen und Klappern aus demselben hervor und jagen ihm, sobald es erscheint, aus ihren langen, unsicher treffenden Flinten so

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