18 - Orangen und Datteln
kamen schreiend herbeigerannt; ich rief ihnen entgegen:
„Halt, bleibt stehen, sonst schieße ich euren Scheik sofort über den Haufen! Wer von euch eine Waffe auf uns richtet, dem gebe ich ein Blei in den Kopf!“
Auch sie gehorchten; sie blieben stehen, so groß war ihre Angst vor meinem Stutzen. Und da brachten Hadschi Halef und der Khawasse auch schon die Pferde geführt.
„Siehst du nun, daß du falsch geschworen hättest?“ fragte ich den Scheik. „Wir sind nicht die Leute, mit denen man machen kann, was man will. Du wirst sofort alles, was uns abgenommen worden ist, holen lassen und dann –“
„Chodeh ill Chodeh“, unterbrach mich eine weibliche Stimme hinter mir – „Gott, o Gott, was soll hier geschehen?“
Ich drehte mich um und sah Fatima Marryah, welche soeben erst durch das Felsentor gekommen war.
„Man nahm uns gefangen und beraubte uns, um uns dann zu ermorden“, antwortete ich ihr. „Wir aber haben uns frei gemacht und werden alle erschießen, falls man uns nicht ungehindert abziehen läßt.“
„Gefangengenommen – beraubt – töten, euch meine Retter und Erlöser, denen ich mein Leben verdanke? Kein Haar soll euch gekrümmt werden; das versichere ich euch!“
Sie kam vollends herbei und sprach so eifrig und schnell auf den Scheik und seine Leute ein, daß ich ihren Worten nicht zu folgen vermochte, obgleich ich des Kurmangdschi leidlich mächtig war. Die Rede floß ihr förmlich aus dem Mund. Noch hatte sie nicht geendet, und noch sprach sie immer weiter, da kam der Kurde, der mich niedergeschlagen hatte, herbei und rief mir zu:
„Herr, du hast sie gerettet; ich heiße Yussuf Ali, und sie ist mein Weib. Erlaube mir, mich neben dich zu stellen und euer Beschützer zu sein. Bei Hassan und bei Hussein, ich hafte mit meinem Leben für euch und euer Eigentum.“
Da dies der heiligste Schwur eines Schiiten ist, so nickte ich ihm Gewährung zu, und er stellte sich neben mich. Als sein Weib geendet hatte, begann auch er für uns zu sprechen, und zwar in einer Weise, daß ich erkannte, er werde seinen Schwur auf alle Fälle halten. Ich glaubte, seine Rede werde den Erfolg haben, daß man zunächst zu einer Beratung zusammentreten werde, hatte mich aber getäuscht, und zwar glücklich getäuscht, denn als Yussuf Ali ausgesprochen hatte, wendete sich der Scheik zu mir und sagte:
„Herr, das wußte ich nicht; darum müßt ihr uns verzeihen. Ihr habt einer unserer Frauen das Leben gerettet; zwei von euch haben zwölf dieser verdammten Mir Mahmalli besiegt, wie könnten wir da eure Feinde sein! Nein, wir sind ihr, und ihr seid wir; wir sind Brüder; ich schwöre es bei Mohammed und bei Hassan und Hussein, die unter den Streichen der Sunniten verblutet sind. Kommt mit in mein Haus! Dort werdet ihr alles finden, was euch gehört.“
„Nein“, rief Yussuf Ali. „Sie haben mein Weib errettet; darum müssen sie meine Gäste und nicht die deinigen sein. Ich habe das erste und größte Recht auf sie!“
Erst sollten wir getötet werden, und nun stritten sich diese Leute um die Ehre, uns bei sich zu haben. Als man sich nicht einigen konnte, bat man mich, den Streit zu entscheiden, und ich entschied, daß Halef mit dem Khawassen bei dem Scheik, ich aber bei Yussuf Ali wohnen sollte, wodurch beide Parteien befriedigt wurden.
Unterdessen war die Dämmerung eingetreten, und die Hirten brachten die Herden getrieben. Dieselben waren nicht bedeutend. Die Mir Yussufi sind bald hüben auf türkischem, bald drüben auf persischem Gebiet, und da die Perser Schiiten sind, so ist es erklärlich, daß einige Familien des Stammes schiitisch geworden waren und sich von dem Stamm getrennt hatten. Diese schiitische Abteilung war es, bei welcher wir uns befanden. Sie lebte vom Ertrag ihrer kleinen Herden, vom Einsammeln der Galläpfel, welche bekanntlich einen bedeutenden Ausfuhrartikel bilden, und vom – Raub, was bei ihnen als Kurden sehr natürlich war, da der Kurde den Raub für ritterlich hält.
Als die Hirten erfuhren, was sich ereignet hatte, waren sie unseres Lobes voll und machten ihrem Grimm gegen die feindlichen Mahmalli in einem Geheul Luft, welches diese jedenfalls hörten, denn sie bewohnten eine genau ebensolche Einfriedigung jenseits des Flusses auf der Höhe des gegenüberliegenden Berges. Ich hatte dieselbe vorhin, als es noch hell war, liegen sehen und konnte jetzt deutlich die Feuer erkennen, welche drüben brannten.
Auch bei uns wurde vor jedem Haus ein Holzstoß angezündet,
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