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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schweig!“ gebot er ihr. „Er hat auch dich verführt. Willst du etwa auch Christin werden und zu dem Gekreuzigten beten? Dieser Isa war ein Prophet und großer Redner; aber was ist er gegen Mohammed, gegen Ali, den Heiligen, gegen Hassan und Hussein! Willst du den abtrünnigen Sohn verteidigen, so wehe ihm, wenn er kommt! Er hat mich verlassen und will mir nun auch noch das Weib vom Herzen nehmen! Ich weiß, was ich zu glauben habe –“
    Er wurde durch einen Ruf unterbrochen, welcher vom hintersten Feuer her erschallte. Er selbst war es, den man gerufen hatte; darum stand er auf und begab sich dorthin, wo man nach ihm verlangte.
    „Herr“, weinte die Frau, „es ist alles so, wie er dir erzählte, und dennoch ist es nicht ganz so, wie er es sagt. Ich habe um Hassan und Hussein, welche getötet wurden, viele, viele Tränen vergossen, denn ich dachte an Fatima, die Mutter der Getöteten. Jetzt aber weine ich um Isa, den Gekreuzigten, der für alle Menschen gestorben ist, und denke an Marryah, die Mutter der Schmerzen, die an seinem Kreuze stand. Mein Sohn hat mir viel, viel von ihm und ihr erzählt, und was er sagt, das glaube ich, denn ich liebe ihn. Ich habe es meinem Mann wiedererzählt, oft, sehr oft. Er hat es still in seinem Herzen bewahrt, das weiß ich; das habe ich bemerkt, denn er fing zuweilen selbst von Isa und Marryah an. Es ist ein Streit in seiner Seele entbrannt; doch ist Mohammed in ihm noch mächtiger als der Welterlöser. Aber ich bete im stillen zu Gott, daß er Mohammed besiegen und dem Vater meines Sohnes beistehen möge, zu der Klarheit gelangen, die ich für die ewige Wahrheit halte. O Gott, o Gott, wen bringt er da!“
    Ich richtete den Blick nach der Gegend, in welche sie deutete. Sie stand wie starr, ob vor Schreck oder vor Freude, das war nicht zu sagen. Ihr Mann kehrte zurück, und an seiner Seite schritt ein anderer, den ich nicht deutlich erkennen konnte; die Feuer flackerten zu sehr. Kurden und Kurdinnen kamen hinterdrein. Da rief Fatima Marryah:
    „Mein Sohn, mein Sohn! Er ist's, er ist's!“
    Sie eilte auf ihn zu, schlang die Arme um ihn und zog ihn an ihr Herz. Nun erkannte auch ich den jungen Mann. Ich hatte ihn bei dem verehrten, frommen Patriarchen von El Kosch gesehen und damals freilich nicht gedacht, daß er bei einem meiner späteren Erlebnisse eine solche Rolle spielen werde. Die Zuschauer wichen ein Stück zurück, denn Mutter und Sohn küßten sich, und zwar öffentlich, was bei Mohammedanern eine unverzeihliche Sünde gegen die gute Sitte ist. Yussuf Ali riß sie auch schnell und zornig auseinander und rief:
    „Was tut ihr da? Was fällt euch ein! Habt ihr die Gebote und Satzungen unseres Glaubens schon so weit vergessen, daß ihr den Leuten hier ein solches Schattenspiel vorführt? Geh her, und begrüße zunächst diesen fremden Herrn, welcher deiner Mutter heute das Leben gerettet hat! Dann habe ich sogleich ein ernstes Wort mit dir zu reden.“
    Er schob den Sohn zu mir hin. Dieser erkannte mich und sagte, indem er mir die Hand entgegenstreckte:
    „Welche Überraschung und welche Freude, dich hier zu sehen, Effendi! Vater, dieser Effendi ist der Gast meines Patrik gewesen und von ihm so hoch geehrt gewesen, daß du stolz, sehr stolz darauf sein kannst, mit ihm an einem Feuer sitzen zu dürfen. Was ist denn mit der Mutter geschehen? Hat sie sich in Gefahr befunden?“
    „Ja, sie sollte von den Hunden der Mir Mahmalli zerrissen werden. Doch davon wirst du später hören. Jetzt beantworte mir eine Frage: Wirst du bei dem Patrik bleiben oder zu uns kommen?“
    Er hatte die Arme über die gewaltige Brust gelegt und stand hoch aufgerichtet vor dem Sohn, welcher sich zwar wunderte, daß anstatt eines Willkommens diese Frage jetzt und in solcher Weise an ihn gerichtet wurde, aber sofort und ruhig antwortete er:
    „Vater, ich käme gern zu euch, aber das ist nun nicht mehr möglich.“
    „Nicht? Warum?“
    „Weil ihr zu uns kommen sollt.“
    „Wir –? Zum Patrik etwa?“
    „Ja. Er hat mich gesandt, euch zu holen. Ihr seid arm und lebt in diesen Wäldern kümmerlich. Ich habe mich gesehnt, für euch sorgen zu können, und das ist mir von jetzt an möglich geworden. Der Patrik hat mich einstweilen zu seinem Katib (Schreiber) gemacht; da habe ich eine schöne, große Wohnung und alles, was ihr sonst noch braucht, für euch. Später wird es dann noch besser.“
    „Noch besser?“ fragte der Riese spöttisch. „Ja, wiefern denn das?“
    „Weil ich dann nicht mehr

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