Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
versammelt, und der Geschichte der Kalifen war er so gewiß wie seiner eigenen Erfahrung. Wir waren entzückt; wir dankten Allah auf unseren Knien und baten um seinen ferneren Segen. Unser Sohn, den wir Hussein Isa genannt hatten, sollte –“
    „Hussein Isa?“ unterbrach ich ihn, über diesen Namen erstaunt, da Isa Jesus heißt.
    „Ja, Hussein nannten wir ihn nach unserem größten heiligen Kalifen, den die Sunniten bei Kerbela ermordet haben. Und den Namen Isa erhielt er nach dem Stifter des Christentums, der auch von uns für einen Propheten gehalten wird und ein gewaltiger Redner war. Seine Worte waren wie Sonnenstrahlen, welche das Herz erleuchten, und wie Schwerter, die durch die Seele dringen. So ein Redner, so ein Prophet, wohl gar der Mahdi, den wir alle erwarten, sollte unser Sohn werden, und darum hat er zu dem Namen Hussein noch den Isa bekommen.“
    „Sonderbar! Sollte das ein Omen, ein Kismet sein?“
    „Wie meinst du das?“
    „Eure drei Namen sind Yussuf Ali, Fatima Marryah und Hussein Isa. Jede dieser drei Personen hat einen moslemitischen und einen christlichen Namen. Ali und Fatima waren die Eltern von Hussein, welcher von seinen Gegnern getötet wurde. Yussuf (Josef) und Marryah (Maria) waren die Eltern von Isa, welchen seine Feinde ans Kreuz schlugen. Ist das nicht sonderbar?“
    „Herr, das ist mir noch nicht aufgefallen; das beschwert meine Seele noch viel mehr! Du unterbrachst mich. Ich wollte dir sagen, daß unser Sohn nun nach Meschhed-Ali gehen sollte, um dort die tieferen Lehren der Schiiten zu studieren. Wir rüsteten ihn aus und sandten ihn mit Bekannten fort, welche nach Mossul reisten, um Galläpfel abzuliefern. Sie kehrten zurück und meldeten uns, daß er ganz glücklich mit ihnen dort angekommen sei. Später waren wieder Leute dort, welche behaupteten, ihn in Mossul gesehen zu haben. Wir wollten das nicht glauben, erhielten aber kurz darauf von ihm selbst die Nachricht, daß er nicht nach Meschhed-Ali gegangen, sondern als Chizmikar (Diener) des Patrik (Patriarch) von El Kosch in Mossul geblieben sei. Kennst du diesen Mann vielleicht?“
    „Ja. Ich war bei ihm und habe mit ihm gesprochen. Er ist ein sehr frommer Mann, den ich sehr verehre. Auch El Kosch ist berühmt. Man sagt, daß der Prophet Nahum da geboren worden sei.“
    „Wenn du bei dem Patrik warst, so hast du wohl unseren Sohn gesehen?“
    „Vielleicht. Der Patrik hat mehrere Diener, von denen mir nur zwei zu Gesicht gekommen sind. Erzähle weiter! Deine Geschichte interessiert mich außerordentlich.“
    „Wollte doch Allah, daß sie weniger traurig wäre! Mein Sohn, der nach Meschhed-Ali sollte, um ein großer Lehrer der Schia, vielleicht gar ein Mahdi zu werden, bei dem christlichen Patrik in Mossul! Das war ja entsetzlich! Ich machte mich auf und reiste selbst hin. Ich fand ihn. Ich bat, ich zürnte, doch vergeblich. Er hatte dem Patrik einen zufälligen Dienst erwiesen und ihn deshalb besuchen müssen. Dieser alte Mann, dieser Giaur, den Allah töten wolle, hatte einen solchen Eindruck auf ihn gemacht, daß er nicht von ihm fortzubringen war. Er kränkte mein Herz sogar mit der Behauptung, daß ihm jetzt das Licht aufzugehen beginne, nach welchem er bisher vergeblich gesucht habe. Ich mußte unverrichteter Sache heimkehren, und er blieb dort. Zuweilen besuchte er uns und brachte uns allerhand Gaben mit. Ich bat ihn, hierzubleiben. Ich drohte mit allem, womit ich drohen konnte; aber es half nichts. Er antwortete mir mit langen Reden, die ich nicht verstehen durfte, und ging wieder fort. Ich sandte mehrere Male mein Weib, denn ich dachte, er werde der Mutter vielleicht lieber gehorchen als dem Vater; aber sie nahm nicht ihn, sondern er nahm sie gefangen, denn sie begann nun auch von dem Licht zu reden, welches aufgegangen sei, alle Völker und Heiden zu bekehren, und von dem Stern, den die Könige des Morgenlandes gesehen haben wollten. Wenn das so fortgeht, ist mein Sohn tot für uns und –“
    „Für mich nicht!“ unterbrach ihn seine Frau unter einem lauten Aufschluchzen. „Er ist mein Kind, mein einziges, geliebtes Kind, und wird es bleiben, solange ich lebe!“
    Ich hatte während der Erzählung ihres Mannes gesehen, daß sie wiederholt mit der Hand unter das Schleiertuch fuhr, jedenfalls um sich die stillen Tränen abzutrocknen. Jetzt aber konnte sie sich nicht mehr beherrschen; sie mußte sprechen und tat dies in einem so herzzerreißenden Ton, daß mir die Augen sofort naß wurden.
    „Weib,

Weitere Kostenlose Bücher