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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wir jetzt auch hier“, antwortete ich ihm. „Ihr wolltet unser Eigentum haben, ganz besonders mein Pferd und mein Gewehr; da war es gleich, ob wir euch trauten oder nicht. Sterben aber werden wir auf keinen Fall.“
    „Du irrst. Sobald es Abend ist und alle beisammen sind, wird die Hinrichtung vor sich gehen. Ihr seid verdammte Christen und Sunniten, die keine Gnade zu erwarten haben. Wer euch tötet, dem legt Allah tausend Ewigkeiten zu.“
    „Und ich sage dir, daß keiner von euch es wagen wird, die Hand an uns zu legen.“
    „Ich aber schwöre dir bei Allah, bei Hassan, bei Hussein und – – –“
    „Halt, schwöre nicht, denn du würdest falsch schwören“, unterbrach ich ihn. „Wenn du wirklich von mir gehört hast, so wirst du wohl wissen, daß ich mich, ohne zu unterliegen, in noch viel größeren Gefahren als jetzt befunden habe. Mich richtet man nicht so leicht hin. Was nützt dir die Beute, welche ihr uns abgenommen habt? Mein Pferd wird dir nicht gehorchen, und mein Gewehr verstehst du nicht zu handhaben. Deine Hand wird nicht einen einzigen Schuß herausbringen.“
    Er hatte nämlich meinen Stutzen vor sich liegen. Darauf gründete ich meinen Rettungsplan. Ich wollte unsere Freiheit gern mir selbst verdanken; unsere Begegnung mit der Kurdin Fatima Marryah aber wollte ich nur als letzten Trumpf ausspielen. Halef, welcher mir zur Rechten lag, meinte nach meinen letzten Worten in seinem arabischen Mogrebindialekt, den die Kurden nicht verstanden:
    „Sihdi, er hat schon, während du besinnungslos lagst, fort und fort probiert, mit dem Stutzen zu schießen; es ist ihm aber nicht gelungen. Sei klug, und tu so, als ob du es ihm zeigen willst. Dann rettest du uns!“
    „Das eben ist mein Plan“, antwortete ich ihm in demselben Dialekt. „Ich werde ihm – – –“
    „Schweig!“ fuhr mich der Scheik an. „Ihr habt nichts, was wir nicht verstehen, miteinander zu sprechen. Was dein Gewehr betrifft, so wirst du mir sagen müssen, wie die Handgriffe sind.“
    „Und wenn ich es nicht sage?“
    „So wirst du mit einem zehnfachen Tod bestraft werden. Ihr sollt erschossen werden; aber wenn du mir nicht mitteilst, was wir wissen wollen, so werden wir dich an einen Baum binden und von unten herauf langsam verbrennen.“
    Den Kurden sind solche Grausamkeiten zuzutrauen. Ich tat, als ob ich erschrocken sei und mich fürchte, weigerte mich aber dennoch scheinbar, sein Verlangen zu erfüllen, bis er seine Drohung verschärfte und ich mich nun ergeben zeigte, dabei aber bemerkte, daß ich mit gefesselten Händen nicht zeigen könne, wie das Gewehr anzufassen sei.
    „Ich werde dir die Hände lösen“, antwortete er erfreut. „Ich binde den Riemen los.“
    Er kam eiligst herbei und machte meine Hände frei. Dann reichte er mir das Gewehr. Jetzt hatte ich gewonnen. Jetzt konnten wir gehen, wann und wohin wir wollten; daß wußte ich. Ich richtete mich auf, legte an uns sagte:
    „Paß auf, wie ich schieße! Sieh den längsten, untersten Eichenzweig am zweiten Baum da drüben. Es sind vier Galläpfel daran. Ich werde sie herabschießen. Paßt auf!“
    Die Eiche stand siebzig Schritte entfernt. Die bei uns sitzenden Kurden sprangen auf und eilten hin. Die anderen Männer eilten nach; die Frauen und Kinder folgten. Nur der Scheik blieb bei uns. Ich hätte vor Freude laut lachen mögen. In dieser Entfernung hatten die Galläpfel die scheinbare Größe von Pfefferkörnern. Es schien unmöglich, sie zu treffen. Ich drückte viermal ab. Ein Jubelschrei verkündete den Erfolg. Ich aber legte, ohne auf dasselbe zu achten, das Gewehr blitzschnell weg, ergriff den Scheik, zog ihn zu mir nieder, faßte ihn mit der Linken bei der Gurgel, riß ihm mit der Rechten das Messer aus dem Gürtel, schnitt den Riemen, welcher meine Füße verband, entzwei, dann auch den, welcher die Hände Hadschi Halefs zusammenhielt, und rief dem letzteren zu:
    „Hier, nimm das Messer und schneide dich und den Khawassen vollends los, dann binde die Pferde von den Bäumen!“
    Er nahm das Messer. Ich hatte jetzt beide Hände zur Verfügung, richtete mich aus meiner sitzenden Stellung auf, riß den Scheik empor, ließ ihn los, hob den Stutzen auf, legte denselben auf ihn an und rief ihm zu:
    „Die Hände an den Leib, und bewege dich nicht, sonst bekommst du hundert Kugeln aus dieser Teufelsflinte!“
    Er gehorchte beinahe zitternd. Das war alles in der Zeit von nicht mehr als einer Minute geschehen. Die Kurden sahen es von fern. Sie

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