18 - Orangen und Datteln
vermochten. Yussuf Ali ging, seinen Sohn auf den Armen, durch sie hindurch, ohne ihre Fragen zu beachten. Halef hatte ihm erzählt, daß sie an der Rettung nicht hatten teilnehmen wollen. Ich folgte ihm mit seinem Weib. Hadschi Halef aber konnte es doch nicht übers Herz bringen; er blieb stehen, um ihnen zu erzählen, was geschehen war.
Wir andern suchten Jussuf Alis Hütte auf, wo sofort zwei Öllampen angebrannt wurden, damit ich den Zustand seines Sohnes untersuchen könne. Er hatte glücklicherweise nicht lange am Kreuz gehangen, und seine Muskeln und Sehnen waren fest. Er hatte zwar große Schmerzen und fühlte sich wie zerschmettert, eine wirklich gefährliche Verletzung aber war bei ihm nicht zu ersehen.
Was mich betrifft, so erschrak ich über mich selbst, als ich in ein Gefäß mit Wasser blickte, welches mir als Spiegel diente. Auge und Nase bildeten einen einzigen blauroten Höhenzug in meinem Gesicht, doch zweifelte ich nicht, daß beide durch fleißige kalte Umschläge und Ruhe bald wiederherzustellen seien. Yussuf Ali hatte sich bei mir noch gar nicht entschuldigt; jetzt aber bat er mich in einer Weise um Verzeihung, daß ich ihm nach seiner innern Umkehrung den Sauhieb doppelt gern vergab. Die Eltern flossen von Dankbarkeit gegen mich über, der Sohn ebenso, doch in ruhigerer Weise, da er zu matt war, um viel sprechen zu können.
Als Halef kam, ging Fatima Marryah hinaus, um das Feuer neu zu entfachen und den Hammel vollends gar zu braten. Das so unglücklich unterbrochene Abendesen sollte nun zu einer Festmahlzeit werden, die wir im Haus einnahmen, denn wir schmollten mit den Mir Yussufi und ließen keinen herein.
Nach dem Essen mußte Hussein Isa schlafen; wir andern aber blieben noch lange wach, um das Erlebte tüchtig zu besprechen. Als dieser Stoff bis aufs einzelnste behandelt war, mußte ich von der heiligsten Familie erzählen, von Yussuf, dem Zimmermann, von Marryah, der gebenedeiten Jungfrau, und von Isa, dem Kind Gottes. Ich erzählte bis zum Tod, zur Auferstehung und Himmelfahrt des Erlösers und tat das in der Weise, wie man Kindern erzählt, denn das war den Geisteskräften dieser Leute am angemessensten.
Solche Stunden sind geweihte, sind heilige Stunden, über die man nicht so recht schreiben kann. Meine Zuhörer waren so andachtsvoll, wie ich es nur wünschen konnte, und ich meine, daß kein Missionar schönere Erfolge aufzuweisen hat als damals ich. Yussuf Ali dachte sich ganz in Joseph, den Zimmermann, hinein und wurde förmlich stolz, der Vater eines so frommen und sogar gekreuzigten Christen zu sein. Er zeigte sich auch ganz fest entschlossen, mit ihm nach Mossul zu gehen, und rief endlich begeistert aus:
„Herr, der heutige Tag hat mich für ewig mit Mohammed verfeindet. Ich werde Christ und halte es für das größte Glück, meinen Sohn als Priester zu sehen. Amen!“
Fatima Marryah fiel ihm schluchzend um den Hals und küßte ihn vor meinen und Halefs Augen. Ihr Sohn hatte ihr schon früher von der schmerzhaften Mutter erzählt, und dieses war ihr treu im Gedächtnis geblieben. Von allen heiligen Personen, von denen ich ihr erzählt hatte, hatte sie nebst dem Heiland die Schmerzensmutter am tiefsten in ihr Herz geschlossen. Sie drückte mir weinend die Hände und sagte:
„Heute habe ich eine Ahnung, was die schmerzhafte Mutter alles erlitten; die heiligste Jungfrau hat den Schmerz von mit gewendet; ihr ganz allein soll mein Sohn gehören, und ich werde nichts als seine und also auch ihre Dienerin sein. Das war mein Gelübde, und ich werde es halten.“
Gegen Morgen mußten wir doch auch schlafen gehen. Als wir am Mittag erwachten, fühlte sich Hussein Isa bedeutend wohler, und mein Gesicht hatte sich ein wenig gesetzt und eine gelbere Lieblingsfarbe angenommen. Das Auge lugte schon, wenn auch nur matt, aber doch aus der Geschwulst hervor, ungefähr wie eine Rosine kleinsten Kalibers aus einem gut aufgegangenen Plumpudding.
Da wir unmöglich schon fort konnten, so mußte mit den Mir Yussufi ein Modus vivendi eingegangen werden. Halef blieb mit dem tapferen Khawassen als Gast bei dem Scheik, ich aber bei Yussuf Ali, dem der Scheik die Speisen lieferte. Unsere Kurden waren unendlich stolz auf uns geworden, denn zwei hatten drei mitten aus dreihundert Feinden herausgeholt. Dazu kam, daß drüben noch tagelang der Wald brannte; die Mir Mahmalli hatten viele Tiere verloren und auch noch sonstige Verluste gehabt; ihr Sommeraufenthalt wurde durch das Feuer zerstört, und so
Weitere Kostenlose Bücher