18 - Orangen und Datteln
sich handelt, damit du weißt, daß du ihm willkommen bist, obgleich er sehr einsam lebt und ganz besonders ein Feind der Christen ist. Er war Mir Alai (Oberst) im Heer des Großsultans, focht unter der Fahne des Propheten mit großer Tapferkeit und wurde in Ehren verabschiedet, hat aber niemals seine Pension erhalten. Er hat um dieselbe gebeten und sie, als man seine Bitte nicht hörte, wiederholt mit Nachdruck gefordert, doch vergebens, denn er hatte es mit Haushaltern des Sultans zu tun, welche nicht ehrlich waren. Die Pension wurde fünfzehn Jahre lang in Stambul ausgezahlt, ist aber nicht in seine Hände gekommen. Als ich Wali von Engyrijeh wurde, wendete er sich an mich, und ich habe den Fall genau untersucht und dem Großherrn direkte Anzeige gemacht. Gestern abend kam der Bescheid: Ich soll dem Mir Alai die fünfzehnjährige Pension nebst Zinsen und Zinseszinsen sofort auszahlen. Wäre dieser Befehl vorgestern hier eingetroffen, so hätte ich das Geld seinem Sohn mitgeben können, welcher bei mir war; nun aber möchte ich die Gelegenheit benutzen, welche mir dein Ritt nach Kaisarijeh bietet, und ich frage dich, ob du mir den Gefallen tun willst, meinem Freund und Kriegskameraden seine Pension zu bringen?“
„Gern, wenn du sie mir anvertrauen willst.“
„Sie ist in deinen Händen sicherer als in der Tasche einer bewaffneten Estafette. Der Mir Alai heißt Osman Bei und wohnt nicht in der Stadt Urumdschili selbst, sondern in der Nähe derselben. Bekannter ist er unter dem Namen Abdal (der Einsiedler), und wenn du dich nach seiner Wohnung erkundigst, mußt du dich dieses Namens bedienen. Kannst du ihm verschweigen, daß du ein Christ bist, so tue es, denn er haßt Anhänger deines Glaubens grimmig und hat auch Veranlassung, dies zu tun; das Kreuz hat ihm das größte Unglück gebracht, welches ein Mann und Vater erleben kann, und ich schicke dich zu ihm nicht nur des Geldes wegen, sondern auch weil ich dich kennengelernt habe und nun glaube, daß es dir vielleicht gelingen wird, sein Leid zu mildern, da dir eine Sprache gegeben ist, welche, wenn du willst, tief zu Herzen geht.“
„So darf ich vielleicht fragen, welcher Art das Leid ist, von welchem du sprichst?“
„Wenn er will, daß du es wissen sollst, so wird er selbst es dir mitteilen; ich erlaube mir nicht, diese Wunde meines Freundes auch nur aus der Ferne zu berühren. Freilich, wenn er hört, daß du ein Christ bist, so wirst du nichts erfahren; darum suche es zu verschweigen. Ich erteile dir diesen Rat auch darum, weil gerade jetzt die Zeit ist, in welcher sich die Mekkapilger dieser Gegend versammeln, um nach Damaskus zu ziehen. Das ist eine Zeit religiöser Erregung und Unduldsamkeit, und da du solchen Leuten an allen Orten und auf allen Wegen begegnen wirst, so wirst du klug tun, sie nicht wissen zu lassen, daß du andern Glaubens bist.“
Es war gewiß seltsam, daß dieser hohe Beamte mich vor den strenggläubigen Moslemini, zu denen er doch selbst gehörte, warnte, und doch den Betrag der Pension, welcher jedenfalls kein geringer war, mir lieber anvertraute als einem islamitischen Kurier. Das Zusammentreffen mit Pilgern machte mir keine Sorge; viel eher war es mir bedenklich, daß die beiden im Vorzimmer stehenden Arnauten jedes Wort unserer Unterhaltung gehört hatten und also auch wußten, daß ich eine bedeutende Summe Geldes zu überbringen hatte. Sie waren Soldaten, der eine ein On Baschi (Korporal) und der andere ein Tschausch (Sergeant) und hätten nach europäischen Begriffen also wohl Vertrauen verdient; aber der Arnaut ist ein geborener Räuber und stets, selbst wenn er bei der Fahne steht, zu Gewalttätigkeiten geneigt. Außerdem ist gerade der nichtchristliche Arnaut der muselmännischste der Muselmänner, und so war es mir doch nicht recht wohl bei dem Gedanken, gerade jetzt zur Zeit der Pilgerversammlungen und wo ich im Besitz vielen Geldes sein sollte, diese beiden finster blickenden Kerls für mehrere Tage und Nächte als Begleiter bei mir haben zu sollen. Ich teilte dies dem Mudir, natürlich in leisem Ton, mit, und er antwortete:
„Du brauchst keine Sorge zu haben; ich werde sie verpflichten, und ihr Eid ist ihnen so heilig, daß sie ihn auf keinen Fall brechen werden.“
Trotz dieser Versicherung hatten meine Worte zur Folge, daß er von jetzt an nicht mehr so laut sprach; auch zählte er mir das Geld so vorsichtig vor, daß man es draußen nicht hören konnte. Es befand sich in einem festen Ledergurt, den ich
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