18 - Orangen und Datteln
hinab. Ich zog meine Jacke aus, wickelte sie ärmelüber lang zusammen und schlang sie mir fest um den Hals, Halef zog das Messer. Kurze Zeit darauf hörten wir von links her ein Schnaufen.
„Aufgepaßt – es kommt einer!“ mahnte ich den Hadschi, welcher sich, für mich zitternd, hinter mir bereitstellte.
Die im Lager brennenden Feuer warfen doch einen leichten Schein zu uns herüber, so daß es möglich war, ein Tier von der außerordentlichen Größe eines Windhundes der kurdischen Art zu erkennen. Das Schnaufen näherte sich schnell; der Hund kam im Galopp, sah mich, blieb einen Augenblick halten und sprang mir dann, ohne aber einen Laut hören zu lassen, mit einem mächtigen Satz nach der Kehle. In demselben Augenblick breitete ich die Arme aus, bog mich nach vorn, um nicht von ihm umgerissen zu werden, und warf ihm, gerade als er sich verbeißen wollte, die Arme um den Hals. Seine Zähne fanden den dicken Wulst der Jacke und konnten mich nicht verletzen; ich aber preßte ihm mit den zusammengezogenen Armen den Hals und Kopf so fest gegen meine Brust, daß ihm der Atem ausging und sein Körper schlaff herniederhing. „Stoß zu jetzt, Halef!“
Der Hadschi bohrte der Bestie das Messer vier-, fünfmal schnell hintereinander in die Brust; dann ließ ich sie fallen. Sie bewegte sich nicht.
„Hamdullillah, es ist gelungen!“ seufzte Halef erleichtert auf. „Das hätte ich nicht für möglich gehalten, Sihdi! Wenn die andern – – –“
„Still!“ fiel ich ihm in die Rede. „Es kommt wieder einer, diesesmal aber von rechts her.“
Wir wendeten uns nach dieser Richtung. Der zweite Hund kam und wurde in derselben Weise abgetan, nur mit dem Unterschied, daß er mir, als ich ihm den Hals zudrückte, in seiner Todesangst mit den Hinterklauen die Schenkel tief aufkratzte. Erst nach längerer Weile kam auch das dritte, letzte Tier, welches wie das erste unschädlich gemacht wurde, ohne daß es mich beschädigte. Nun half ich Halef eine kleine Weile nach leicht brennbarem Feuermaterial suchen, damit er mehrere Herde anlegen und das Feuer schnell eine weite Verbreitung annehmen könne, und eilte dann mit meinem Stutzen nach der gegenüberliegenden Seite des Kurdenlagers. Dort angekommen, kroch ich in das von uns hergestellte Loch und hatte nun die Szene der Kreuzigung in der bereits angegebenen Entfernung vor mir.
Isa, der ein Licht des Islam hatte werden sollen, hing seines katholischen Bekenntnisses wegen an dem schnell improvisierten Kreuz, doch nicht, wie der Heiland, mit schmerzenden Nägeln befestigt, sondern mit Riemen angebunden. Dennoch war sein halb zurückgeneigtes Gesicht schon äußerst qualvoll verzerrt, und sein Muskeln zuckten im Krampf, welcher den Körper zusammenziehen wollte und doch nicht konnte. Seine Eltern waren raffinierterweise so an den Stamm der Pistazie festgebunden worden, daß sie diesem, also auch einander, die Gesichter zukehrten. Man hatte ihnen aber die Vorderarme frei gelassen, damit sie einander zwar berühren, aber nicht helfen konnten.
Viele von den Kurden hatten sich einstweilen satt gesehen und sich entfernt; die andern bildeten jenseits des Baumes, wo sie die Szene in Vorderansicht vor sich hatten, einen Halbkreis und erquickten sich an dem Bild der Körper- und Seelenmarter, welche die Gequälten nicht verbergen konnten.
Diese letzteren verhielten sich keineswegs still; sie warfen einander Worte des Trostes und der Hoffnung zu, welche von den Zuschauern in hämischer Weise kritisiert wurden.
„Halt aus!“ bat die Mutter den Sohn. „Er kommt gewiß; er hat es versprochen, dich zu retten. Du kennst den Herrn. Was er verspricht, das hält er auch.“
Dann weinte, betete und bekreuzigte sie sich weiter. Dasselbe tat auch Yussuf Ali. Er unterbrach sein Gebet, um dem Sohn zuzurufen:
„Ich bin schuld, ich allein! Ich wollte zu Allah halten, der dich doch nicht retten wird. Jetzt sind meine Schmerzen größer als die deinen; aber vielleicht kommt der Herr zu Hilfe. Wenn er es tut, werde ich mir mit dem Messer ein Salib Isa in die Brust schneiden, zum Andenken an diese Stunde der Schmerzen, die unaussprechlich sind.“
„Weine nicht, Mutter“, bat Hussein Isa. „Die göttliche Mutter hat tausendmal größere Qualen erduldet als du. Und weine nicht, Vater, denn ich bin zu beneiden; der Tod für den Glauben öffnet den Weg zum Paradies. Mir ist's nicht um mich, sondern um euch. Ihr kamt, mich zu retten, und seid nun selbst dem Tod geweiht. Aber vielleicht
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