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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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unter der Weste um den Leib binden sollte. Ich mußte das gleich in seiner Gegenwart tun. Dann rief er die Arnauten herein, um mich ihnen zu übergeben. Sie mußten ihm bei dem Propheten zuschwören, solange ich ihnen anvertraut sei, für meine Sicherheit ebenso wie für die ihrige besorgt zu sein. Dies beseitigte mein Bedenken; wenn ich ihnen alles zutraute, den Bruch eines solchen Gelöbnisses aber nicht.
    Hierauf begleitete der Wali mich bis in den Hof und blieb da stehen, bis ich zum Tor hinausritt, eine Ehrerweisung, welcher gewiß nur selten jemand teilhaftig geworden war.
    „Allah begleite dich und nehme dich in seinen Schutz!“ rief er mir nach, obgleich ich in seinen Augen ein Ungläubiger war. Er ahnte ebensowenig wie ich, wie notwendig mir dieser Schutz in kurzem werden sollte.
    Zunächst erfuhr ich gleich draußen vor der Stadt, was für strenge Mohammedaner meine beiden Arnauten waren. Kaum hatten sie das letzte Haus hinter sich, so stiegen sie ab, und der Tschausch sagte mir:
    „Effendi, erlaube uns, das Reisegebet zu sprechen! Jeder wahre Gläubige tritt eine solche Reise nur zur Zeit des Nachmittagsgebetes an; wir aber sind schon am Vormittag aufgebrochen. Da du ein Christ bist, so weißt du nicht, daß wir damit den Zorn Allahs auf uns geladen haben; nun müssen wir ihn durch unser Gebet besänftigen.“
    Sie schnallten ihre Schabracken los, um dieselben als Gebetsteppiche zu gebrauchen, eine Benutzung, die ich noch nie beobachtet hatte, knieten darauf nieder und verrichteten, gegen Mekka gewendet, unter halblautem Gemurmel und zahlreichen Verneigungen die Andacht, welche sie mir als so dringlich dargestellt hatten. War dies wirklich Herzenssache, oder wollten sie mir gleich im Beginn der Reise zeigen, daß sie mich zwar als ihren Schutzbefohlenen, aber doch als Giaur betrachteten? Als Soldaten waren sie der Disziplin unterworfen und also wohl nicht gewöhnt, stets nur zur Zeit des Nachmittagsgebetes aufzubrechen. Die militärische Notwendigkeit erfordert oft eine Umgehung der äußeren religiösen Gebräuche.
    Ich ließ sie gewähren, ohne ein Wort zu sagen, und benutzte als echter Ungläubiger die mir dadurch gewordene Muße zum Betrachten des Tenbih, welchen ich von dem Wali erhalten hatte. Infolge dieses Schriftstückes konnte ich allerorten alles verlangen, was ein großherrlicher Kurier zu fordern hatte; das war mir natürlich außerordentlich angenehm. Die Neugierde trieb mich, auch den kleinen Beutel zu öffnen, in welchem sich die Bezahlung für mein Pferd befand. Es war ein ganz gewöhnlicher Gaul gewesen, und die Summe betrug wenigstens das Achtfache seines Wertes. Der Wali konnte das Pferd für sich nicht gebrauchen, und es war klar, daß er es gekauft hatte, um mir in dieser Form ein Geschenk machen zu können. Es fiel mir nicht ein, zornig darüber zu sein.
    Als das Gebet nach zehn Minuten beendet war, ritten wir weiter. Die Arnauten verhielten sich im höchsten Grad schweigsam gegen mich. Sie sprachen nur dann mit mir, wenn ich sie fragte, und antworteten da so kurz, daß ich einsah, es liege ihnen nichts daran, mich als leutseligen Effendi kennenzulernen. Wenn sie sich miteinander unterhielten, sprachen sie nicht türkisch oder vielleicht arabisch, sondern sie bedienten sich ihres Mireditendialektes, von welchem mir kaum dreißig Worte geläufig waren. Sie ritten, je nachdem, vor oder hinter mir her, ohne sich um mich zu kümmern; ich schien für sie Luft zu sein, und als ich zur Mittagszeit in einem Dorf halten ließ, um mir von dem Muchtar (Dorfschulzen) ein Essen liefern zu lassen, wollten sie, als dasselbe gebracht wurde, sich sofort darüber hermachen, als ob ich gar nicht vorhanden sei oder mit den Überresten fürlieb zu nehmen habe. Der Tschausch nahm, ohne sich um mich zu bekümmern, dem Muchtar die Schüssel ab, setzte sich mit derselben neben seinen Kameraden auf die Erde nieder und spreizte schon die Finger aus, um zuzulangen; da nahm ich, auch ohne ein Wort zu sagen, ihnen die Schüssel weg, ging mit derselben zur Seite, setzte mich nieder, nahm sie zwischen die Beine, zog meinen Löffel aus dem Gürtel und begann zu essen.
    „Effendi, das Essen gehört auch uns!“ rief der Tschausch zornig.
    „Wartet!“ antwortete ich kurz, indem ich weiterlöffelte.
    „Wir sind gläubige Moslemim und dürfen nicht genießen, was ein Christ übrigläßt!“
    „Und ich bin ein gläubiger Christ, der euch die Ehre erweisen würde, euch mit ihm essen zu lassen, wenn ihr Offiziere

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