18 - Orangen und Datteln
sei seine Seele!“
Die Begleiter dieses Mannes stimmten in sein Geschrei ein und wollten seiner Aufforderung Folge leisten; der Kysrakdar aber trieb seine Pferde zum Galopp an, und ich folgte ihm ebenso schnell, noch immer das Geheul „verflucht sei seine Seele, verflucht sei seine Seele!“ hinter mir hörend. Als wir außer Sicht- und Hörweite gekommen waren, ließ er seine Pferde langsamer gehen und sagte in verlegenem Ton:
„Wir müssen uns trennen, Effendi, denn meine Gegenwart kann dir, wie du siehst, leicht gefährlich werden.“
„Inwiefern? Warum beleidigt man dich?“
„Weil man glaubt, ein Recht dazu zu haben. Ich war Moslem, bin aber jetzt ein Christ, ein katholischer Christ, was hier ja schlimmer ist als ein griechischer oder armenischer. So, jetzt weißt du es; nun spucke auch vor mir aus!“
„Das werde ich bleiben lassen. Ich müßte mich ja selbst anspucken, denn ich bin auch ein Christ.“
Da richtete er sich schnell im Sattel auf, sah mich mit frohen Augen an und rief:
„Du ein Christ? Und ich hielt dich für einen sehr strengen Bekenner des Propheten, weil du mir gestern abend sagtest, daß du den Abdal Osman Bei besuchen wolltest. Dieser Mann spricht mit keinem Christen.“
„Was ich ihm zu sagen habe, ist solcher Art, daß er mit mir reden wird.“
„Dann muß es sehr Gutes sein, was du ihm mitzuteilen hast. Du gefielst mir sogleich, als ich dich gestern abend sah. Hätte ich gewußt, daß du auch Christ bist, so wäre ich anders gegen dich gewesen. Verzeihe mir, Effendi!“
Er reichte mir die Hand herüber; ich drückte ihm dieselbe und antwortete:
„Du hast auch mir gefallen, und ich werde bei dir bleiben, wenn du es erlaubst. Laß diese Menschen schimpfen! Sie können uns doch nur mit ihren Worten erreichen, welche ungefährlich sind. Da du den Abdal Osman Bei erwähnst – kennst du ihn vielleicht?“
Er sah vor sich nieder und rief dann aus:
„Ob ich ihn kenne! Er ist ja der Erzeuger meines Lebens, mein Vater; und ich bin sein Sohn, sein einziges Kind.“
„Wie! So bist du der, welcher beim Wali gewesen ist?“
„Ja. Der Wali ist ein Freund meines Vaters und hat auch mich lieb, obgleich er mir ob meines Abfalles zürnt. O Effendi, wie glücklich bin ich durch die heilige Religion geworden und doch auch wie unglücklich durch das Herzeleid, in welches ich meinen Vater und meine Mutter versetzen mußte! Du kannst es gar nicht erfassen!“
„Ich begreife es. Dein Vater ist der strengste, der eifrigste Bekenner des Islam, und du, sein einziges Kind, hast den Koran verworfen. Ich kenne beides, die Bibel und den Koran, das helle, lebenspendende Licht des Christentums und den glühenden, versengenden Brand der Lehre Mohammeds; ich kenne auch das Menschenherz, und verstehe, daß dein Vater dich von sich gestoßen hat.“
„Er hat mich nicht nur verstoßen, sondern – verflucht. Du hast es ja gehört, daß ich es Sabbi, der Verfluchte, genannt werde!“
Es war ein starker Mann, ein Charakter, und doch standen ihm Tränen in den Augen, als er fortfuhr:
„Und nichts, nichts kann ihn versöhnen als meine Rückkehr zu den Irrlehren des Islam; dieses aber ist mir unmöglich!“
„Ja, bleib' getreu! Der himmlische Vater steht unendlich höher als der leibliche; die göttliche Liebe wird dir die irdische ersetzen, welche du verloren hast.“
„Ich habe sie verloren und doch auch gewonnen. Die Liebe des Vaters hat sich in Haß und Fluch verwandelt; dafür errang ich eine andere Liebe, und diese war es, welche mich zum rechten Glauben leitete. Darf ich dir sagen, wie das gekommen ist?“
„Sei überzeugt, daß ich mich aufs höchste dafür interessiere!“
„So erfahre, daß ich, so wie mein Vater, Offizier war. Der Name meines Vaters und die Freundschaft Said Kaled Paschas standen mir zur Seite, so daß mein Avancement ein schnelles war. Ich zählte vierundzwanzig Jahre, als ich Kol agassy (Kapitän) der Engyrijeh-Dragoner in Kaisarijeh wurde. Der Dienst führte mich in das Haus des französischen Konsuls, eines Katholiken; ich sah dessen Tochter, liebte sie, kam wieder, fand Gegenliebe und wurde durch dieselbe zur Wahrheit des christlichen Glaubens geführt. Erlaß es mir, ausführlich zu sein! Es war eine schwere Zeit, eine Zeit des Zweifels und der Kämpfe, des Glücks und des schwersten Herzeleides. Die Liebe war meine Führerin gewesen, und die Überzeugung wurde meine Stütze, an welcher ich mich fest und aufrecht hielt. Ich entsagte dem bisherigen
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