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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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richtete sich in verkehrter Stellung eine riesige Figur empor und neben ihr eine zweite. Trotz der auseinanderfließenden Umrisse erkannten wir ein an dem Boden liegendes Kamel, neben welchem ein Araber stand. Es war klar, daß die Originale, dieses Bildes sich in Wirklichkeit hinter den vor uns liegenden Dünen befanden. Der Araber konnte nichts anderes sein als ein Posten, der von dem Hedjahn-Bei vorgeschoben worden war, um das Nahen der Kaffilah zu beobachten. Die Fata Morgana hatte uns die Gum verraten, während die Spiegelung unser Bild dem Posten nicht zutragen konnte, da wir vor der Sonne hielten.
    Es war ein eigener, gespenstischer Anblick, dieser verkehrt in den Lüften schwebende und in gigantischen Dimensionen gezeichnete Wächter der Raubkarawane.
    „Rrree, halt!“ gebot ich. „Die Gum ist vor uns. Steigt ab, ihr Männer, und schlagt das Lager auf!“
    Während dieser Beschäftigung sank die Sonne immer weiter niederwärts, und das Phantom stieg, in gleichem Verhältnis seine Formen ausdehnend, am Horizont empor. Es war, als befänden wir uns vor einer meilenweiten Camera obscura, deren Linse von Augenblick zu Augenblick an Dicke und Vergrößerungsfähigkeit zunahm.
    Da wurde hinter dem Luftbild des Arabers eine neue Gestalt sichtbar, die seitwärts von ihm aus dem Boden wuchs. Wir konnten jede ihrer Bewegungen beobachten. Sie erhob die Arme und richtete einen langen, schmalen Gegenstand nach dem Kopf des Postens – in einziger Augenblick – ein eigentümliches Schwanken und Schwingen des ganzen Gemäldes – der Araber stürzte nieder.
    „Alla kerihm, Gott ist gnädig und barmherzig!“ rief Hassan. „Ich preise den Propheten, daß dieses Bild nicht von meinem Leib stammt, denn dort hat ein Mann den andern totgeschossen!“
    Er hatte recht, und wäre die Entfernung nicht zu groß gewesen, so hätten wir den Schuß jedenfalls gehört.
    Wer war der Täter? Seine vergrößerte Figur bog sich zu dem Gefallenen nieder, dann richtete er den langen Gegenstand, welcher nichts anderes als ein Schießgewehr sein konnte, auch auf das Kamel – ein zweites Schwingen und Schwanken der Spiegelung – das Tier zuckte in seinen mächtigen Formen empor und sank dann wieder zusammen.
    Eine blitzschnelle Ahnung stieg in mir auf.
    „Seht ihr ihn, ihr Männer?“ rief ich. „Das ist Behluwan-Bei, der Räuberwürger. Er hat den Wächter der Gum in das Reich des Todes geschickt. Bleibt hier zurück! Auf, Abu billa Beni, auf, Korndörfer, wir müssen hin zu ihm!“
    Einige Augenblicke später saßen wir auf unsern Kamelen und jagten der Richtung des Bildes zu.
    Je weiter wir vorwärts kamen, desto mehr sanken die Linien desselben zusammen. Die Figur dessen, den ich für Emery Bothwell hielt, war schon kurz nach dem zweiten Schuß verschwunden. Wegen des tiefen Sandes und weil wir zahlreiche Dünen zu umreiten hatten, kamen wir trotz unserer Eile nur langsam von der Stelle; doch wich die Spiegelung endlich, und folglich mußten wir uns in dem Gesichtskreis des Ortes befinden, an welchem die Tat geschehen war.
    Wir hatten lange zu suchen, ehe wir die Stelle fanden, und nun zeigte es sich, daß meine Vermutung allerdings das Richtige getroffen hatte. Im Sand lag ein Tuareg, von der Seite einen Zoll hoch über der Nasenwurzel in die Stirne geschossen, und auch das Kamel hatte die gleiche tödliche Wunde. Der Kragen des Burnus und eine Ecke der Satteldecke zeigten die Buchstaben A.L., eine Anweisung auf die sicher treffende Kugel aus der Büchse meines ‚Englishman‘, der sich den Ehrennamen Behluwan-Bei erworben hatte. 
    Wir hatten über eine halbe Stunde gebraucht, um diesen Ort zu erreichen, und seit derselben Zeit hatte ihn Emery verlassen. Konnte ich ihm nachreiten? Ein kurzes Einhalten seiner Spur zeigte mir, daß er sich mit großer Schlauheit diejenigen Stellen des Bodens ausgewählt hatte, wo der Felsen keine Fährte annahm oder der hohe Sand sich sofort wieder über derselben schloß. Ich hätte also Mühe gehabt, ihn zu erreichen, und, da in kurzer Zeit die Nacht hereinbrach, den Rückweg zur Kaffilah ganz sicher verloren. Zudem mußte ich annehmen, daß er in der Nähe der Gum bleiben und ich ihn also bei der Berührung mit derselben ohne Zweifel treffen würde. Ich gab es also auf, ihm zu folgen.
    Jetzt mußte sich mir nun eine zweite Erwägung aufdrängen.
    Der getötete Posten hatte nämlich nur einige Schlucke Wassers bei sich, ein sicheres Zeichen, daß entweder eine baldige Rückkehr erwartet

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