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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Prophet!‘
    Der Himmel glüht fast wie kochendes Erz, und die Erde brennt wie flüssiges Eisen. Der Smum hat die Wasserschläuche ausgetrocknet, und bis zur nächsten Uah ist es noch weit. Ein einsamer Bir (Brunnen) kann keine Hilfe bringen, da sein weniges brackiges Wasser kaum hinreicht, die Zungen der Menschen und die Lefzen der Kamele zu kühlen. Die erst geschlossene Karawane hat sich längst in einzelne Frik (Abteilungen) aufgelöst, welche sich mühsam hintereinander herschleppen. Brot, Mehl und Bela (trockene Datteln) sind genugsam vorhanden, aber für einen Schluck Wasser oder eine Schale Merissa (kühlender Trank aus Dokhnkorn) würden die Verschmachtenden Monate ihres Lebens hingeben. Der Dürstende greift wieder und immer wieder zur leeren Zemzemiëh, hält sie an die verlangenden Lippen und setzt sie wieder ab mit einem klagenden ‚bom bosch, ganz leer!‘
    Die Gebete werden leiser, die Zurufe seltener, und die am Gaumen klebende Zunge liegt wie Blei im Mund. Sie vermag kaum das Surat yesin, das sechsunddreißigste Kapitel des Koran zu seufzen, welches der Moslem ‚Quelb el Koran‘, das Herz des Koran, nennt und in der Not des Todes betet.
    Da ertönt ein lauter Freudenschrei.
    Über dem dichtumflorten Horizont heben sich die scharfen Umrisse der ersehnten Oase empor. Auf schlanken Säulen bauen sich die stattlichen Wipfel der Dattelpalmen übereinander, und ihre leichten Fliederkronen wehen in dem frisch sich erhebenden Wüstenwinde. Zwischen grünen Hainen schimmert es wie das Wellengekräusel eines lieblichen Sees, und die Luft scheint sich von der Ausdünstung des Wassers zu feuchten. Die Palmenkronen spiegeln sich in der glitzernden Wasserfläche, und Kamele waten in der Flut, ihren langen Hals herniederstreckend, um das belebende Naß zu schlürfen.
    „Hamdullillah, Preis sei Gott! Das ist die Uah; der Herr hat uns errettet; ihm sei Lob und Dank!“
    Die Jubelnden wollten ihre Tiere in eine schnellere Bewegung setzen; diese aber ließen sich nicht täuschen; ihr scharfer Geruch hätte es ihnen ja schon längst gesagt, wenn wirkliches Wasser vorhanden wäre.
    „Hauehn aaleïhu ia Allah, hilf ihnen, o Gott!“ bittet der erfahrene Führer der Karawane. „Sie haben vor Durst und Hitze den Verstand verloren und halten die Fata Morgana, die gefährliche Spiegelung, für Wirklichkeit.“
    Seine Worte rufen doppelte Niedergeschlagenheit unter den Getäuschten hervor; mutloser und langsamer schiebt sich der immer mehr ermüdende Zug weiter und geht vielleicht dem grauenvollen Schicksal entgegen, wie das vom Sonnenbrand verzehrte Wasser eines Wadi in der starren Wüste zu verrinnen. Die Dschellaba hält dann ihren Einzug in einem Mekka, welches erbaut ist hoch über den Sternen und nicht im Sand des Belad Moslemin (Arabiens). –
    Die Spiegelung ist seltener, als man anzunehmen pflegt; ich hatte sie erst zweimal geschaut und auch mich, wenigstens beim ersten Mal, von ihr täuschen lassen. Heute sollte ich die Erfahrung machen, daß sie unter Umständen dem Menschen freundlich und nützlich sein kann.
    Nach der Weisung des Khabir hatte ich unsere östliche Richtung beibehalten. Unsere Schatten wurden länger und länger, bis sie unsere doppelte Länge übertrafen. Da stieg über dem vor uns liegenden Horizont ein seltsames Phantom empor:
    Die Sonnenstrahlen oszillierten wie ein mehrere Fuß hohes, aus mikroskopischen, glühenden Flimmern bestehendes Meer über dem Boden; trotz der Nähe des Abends war die Hitze beinahe unerträglich, und die abgemattete Kaffilah drohte in dem heißen, immer tiefer werdenden Sand zu versinken. Wir nahten uns dem Kampfgebiet zwischen Ghud und Serir, zwischen Dünen und Felsen, und hatten bald leere, nackte Steinfläche, bald gefährliche, nachgiebige Sandablagerungen unter den Füßen unserer dampfenden Tiere. Da wuchs langsam und allmählich ein mächtiges Gebirge aus den hohen Lüften vor uns hernieder; die Umrisse der gigantischen Bergesriesen verschwammen in der zitternden Atmosphäre, aber an ihrem Fuß sahen wir deutlich mächtige Seen flimmern, in die sich mehrere Ströme ergossen; die Ufer derselben waren kahl und öde und zeigten nicht die mindeste Spur eines Pflanzenwuchses.
    „Maschallah, tausend Schwerebrett“, meinte der Staffelsteiner, „is dos aane wunderliche Geschieht'! Das Gebirg hat sich auf den Kopf gestellt und schaut mit der Spitz' nach unten. Wenn's so fortgeht, so läuft halt der große Hassan bald mit den Beinen in der Luft.“
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