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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wurde oder er in kurzem abgelöst werden sollte. Sein Tod wurde also auf jeden Fall bemerkt. Ohne Zweifel gab es auch noch andere Posten in der Nähe, die der Hedjahn-Bei persönlich inspizierte. Konnte ich also diese Stelle ohne weitere Vorsichtsmaßregeln verlassen? Und welches war die beste Vorkehrung, die ich treffen konnte? Sollte ich die Tier- und Menschenleiche mit Sand verschütten oder zurückbleiben? Im letzteren Fall konnte ich leicht einen glücklichen Fang tun, aber auch trotz aller Furchtlosigkeit in eine Gefahr geraten, aus welcher es bei allem Mute kein Entrinnen gab.
    Ich entschloß mich für das erstere.
    Der Sand war leicht beweglich, und schon nach wenigen Minuten bedeckte eine Düne den Tuareg und sein Kamel. Dann suchten wir, so wenig Fährte als möglich zurücklassend, die Kaffilah auf. Wir wurden mit der Frage empfangen, ob wir den Behluwan-Bei gesehen hätten.
    „Die Kamelstute des Räuberwürgers ist so schnell wie der Vogel der Lüfte“, antwortete ich. „Er war bereits wieder verschwunden. Doch kenne ich die Gedanken meines Bruders! Er weicht nicht von der Gum, bis sie getötet ist. Ihr werdet bald sein Angesicht sehen und seine Stimme hören.“
    Die Sonne sank, und doppelte Glut strömte nun die erhitzte Erde aus. Wir hatten die Kamele angepflockt und das mehr als einfache Nachtmahl beendet; der Schlaf aber floh unsere Augen. Die Sterne stiegen am Himmel empor, und Mitternacht nahte heran. Emery hatte mir mit der Tötung des Tuareg einen Strich durch die Rechnung gemacht. Hätte dieser die Kaffilah bemerkt, so wäre der Hedjahn-Bei von ihm benachrichtigt worden und wohl längst schon in die Nähe gekommen. Jetzt aber wollte der Ruf der Hyäne nicht erschallen. Sollte ich es wagen, den Räuber aufzusuchen und die Kaffilah ohne Anführer zu lassen?
    Ich gab Josef und dem Tebu, welchem ich vertrauen konnte, die nötigen Verhaltungsbefehle und schritt in die stille, lautlose Nacht hinaus.
    Es war so sternenhell, daß ich bei der klaren Wüstenluft die Umgebung deutlich erkennen konnte, und trotz der täuschenden Ähnlichkeit der Dünen die Nähe der Stelle erreichte, an welcher der Tuareg von Emery getötet worden war. Jetzt war doppelte Vorsicht nötig. Ich legte mich nach Indianerart auf den Boden und kroch geräuschlos weiter.
    Grad auf demselben Punkt, an welchem der Tote gewacht hatte, standen zwei Männer in einer bewegungslosen, lauschenden Stellung. Ich schob mich bis hart an sie heran und richtete mich dann in die Höhe. Sie erschraken und sprangen, die Waffen ergreifend, zurück.
    „Rrree, halt! Wer bist du?“ fragte der eine, das Gewehr auf mich anschlagend.
    „Wo ist der Hedjahn-Bei?“ lautete meine Gegenfrage.
    „Kennst du ihn? Bist du einer der Seinen?“
    Ich zog die Anaïa hervor.
    „Sieh hier ein Zeichen! Wo ist er?“
    Beide Männer ergriffen die Anaïa, um sie in Augenschein zu nehmen.
    „Du hast die Murdschan (Koralle) und gehörst zu uns“, entschied der vorige Sprecher. „Kennst du die Kaffilah, auf welche wir warten?“
    „Ich kenne sie, denn ich bin mit ihr gekommen.“
    „Wo ist der Khabir, warum kommt er nicht? Warum hält er nicht an dem Ort, den ihm der Hedjahn-Bei geboten hat?“
    „Dein Atem ist lang, und deiner Fragen sind sehr viele. Führe mich zu dem Bei, so wird er meine Antwort vernehmen.“
    „Dein Fuß darf nicht zur Gum treten, ehe er es erlaubt hat. Ich werde ihn rufen und ihm deinen Namen nennen.“
    „Allah gab auch mir einen Mund; der Bei wird meinen Namen von meinen eigenen Lippen hören.“
    „Dein Mund ist wie der Bir billa ma, der Brunnen, der kein Wasser hat, und deine Zunge liebt nicht den Tropfen der Rede. Aber er wird fließen, denn ich gehe, um den Bei zu holen.“
    Er ging, und ich blieb bei dem andern zurück, der mit keinem Wort versuchte, eine Unterhaltung anzuknüpfen. Es herrschte ringsum eine lautlose Stille, so daß man im leisen Hauch der Nachtluft das Klingen des wandernden Sandes deutlich vernehmen konnte. Da aber drang ein anderer Ton an mein Ohr, ein Ton, der mich überrascht aufhorchen ließ.
    Es war ein Schuß gefallen, allerdings in weiter Ferne, aber der Schall war doch so vernehmlich, daß ich mich nicht täuschen konnte. Er war aus der meiner Kaffilah entgegengesetzten Richtung erklungen. Auch die Wache fuhr in eine wo möglich noch aufmerksamere Haltung empor.
    „Hast du vernommen die Stimme des Todes in der Wüste?“ fragte ich.
    „Die Nacht schweigt gegen das Auge, aber sie spricht zu dem Ohr. Ich

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