18 - Orangen und Datteln
doch die drei Männer standen vor Überraschung so perplex und wehrlos vor mir, daß ich die Büchse wieder absetzte.
„Bist du von Sinnen, Mann?“ fragte der Anführer nach einer Pause im Ton der höchsten Verwunderung. „Du hast die Anaïa und drohst mir mit dem Tod! Soll dir meine Kugel das Herz zerreißen?“
„Hätte dich die meine nicht vorher getroffen, Räuber? Lähmte dir der Schreck nicht die Glieder, daß du dich nicht regen konntest? Wisse, ehe du deine Flinte erhebst, seid ihr alle drei Kinder des Todes. Der Bei fürchtet den Würger; so vernimm, daß ich der Bruder des Behluwan-Bei bin, der die Gum vernichten wird bis auf den letzten Mann.“
Er starrte mich an, als halte er mich wirklich für einen Wahnsinnigen.
„Allah akbar, Gott ist groß; er kann Verstand geben und nehmen, wie es ihm gefällt. Doch der Prophet befiehlt, die Irrsinnigen zu schonen. Komm, und folge uns!“
„Unsere Wege sind verschieden; der meine geht nach El Kasr, der eure aber in den Tod.“
„Dein Geist ist dunkel wie die Nacht, die keine Sterne hat. Was willst du auf El Kasr?“
„Mein Geist ist hell wie der Tag, der alles offenbart. Ich bin kein Moslem, sondern ein Christ und komme nach El Kasr, um den Franken zu befreien, den ihr gefangen haltet.“
„Du bist ein Giaur und hast die Anaïa? Stirb, Verräter!“
Er erhob das Gewehr; da aber krachte schon meine Büchse; er stürzte zusammen. Der zweite Schuß traf den einen Posten, und den andern streckte eine Revolverkugel zu Boden, noch ehe beide von ihren Waffen hatten Gebrauch machen können. Ich hatte mein Gewissen befriedigt und sie nicht getötet, bevor sie wußten, daß ich ihr Feind sei.
Kaum waren die drei Schüsse verhallt, so ertönte unweit meines Standortes eine laute Stimme:
„Hallo-i-oh!“
Es war der Waldruf, welchen ich mit Emery zu wechseln gewohnt gewesen war, wenn wir getrennt durch den Forst oder die Prärie marschierten. Wie ich die seine, so hatte er auch meine Büchse erkannt und durch den darauf folgenden Revolverschuß die vollendete Gewißheit erhalten, daß er sich nicht irre.
„Hallo-i-oh!“ antwortete ich ihm unbekümmert um den Hedjahn-Bei und seine Gum.
Der Ruf wurde, während wir aufeinander zuschritten, noch einmal wiederholt, und dann standen wir, die wir uns in den Vereinigten Staaten das Wort gegeben hatten, uns in Afrika wiederzusehen, leibhaftig voreinander im Innern der Sahara.
Er nahm mich bei den Schultern, blickte mir in das Angesicht und drückte mich dann in langer, stummer Umarmung an sich.
„Welcome in the Sahar!“ grüßte er endlich; dann war dem Herzen genug getan.
Keine einzige Frage über Vergangenes wurde ausgesprochen; die Gegenwart nahm uns vollständig in Anspruch.
„Laden!“ bemerkte er in seiner kurzen Weise.
Wirklich war ich in der Freude so unvorsichtig gewesen, diese Maßregel, was mir noch niemals passiert war, außer acht zu lassen. Ich holte natürlich sofort das Versäumte nach.
„Drei Schüsse – drei Räuber?“ fragte er.
„Ja.“
„Ich nur zwei. Wo hältst du?“
„Mit einer Kaffilah zehn Schüsse von hier.“
„Wie stark?“
„Siebzehn ohne mich.“
„Feige Araber?“
„Ja, und zwei Diener, auf die ich mich verlassen kann, ein Tebu und ein Deutscher.“
„Der Khabir gehört zum Hedjahn-Bei?“
„Ja. Er und der Schech el Djemali sind tot.“
„Durch dich?“
„Durch mich. Weiß du, wo Rénald sich befindet?“
„Nein.“
„Warum bestelltest du mich dann nach dem Bab-el-Ghud?“
„Weil in dessen Nähe die Räuber ihre Niederlage haben müssen. Jede Gum kehrt dorthin zurück.“
„Ich kenne den Schlupfwinkel; es ist ein Kasr, und dort werden wir Rénald treffen.“
Der kaltblütige Engländer stieß doch einen Ruf der Überraschung aus.
„Das weiß du, und ich nicht, obwohl du erst kommst und ich schon längst hier streife!“
„Ich entlockte es dem Khabir, welcher mir vertraute, weil ich die Anaïa des Bei besitze.“
„Du hast sein Zeichen? Wer gab es dir?“
„Er selbst. Ich schoß einen Löwen, unter dem er lag.“
„Du hast einen Löwen erlegt? Mensch, dein Glück ist ungeheuer!“
Jetzt kam sein Blut in Wallung.
„Einen Löwen und ein schwarzes Pantherpaar. Du wirst die Felle sehen.“
„Pshaw! Sie sind doch nicht mein! Und den Bei hast du beim Löwen getroffen? Wo?“
„An den Auresbergen.“
„Das ist nicht möglich. Er ist im Ghud!“
„Es sind zwei Brüder.“
„Ah!“ rief er erstaunt. „Und wo ist jetzt der
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