18 - Orangen und Datteln
eine Tat, wie die deinige ist, dem Richter anzuzeigen.“
„Ein Christ bist du? Und doch sprichst du die Sprache der Gläubigen wie ein echter Moslem? Dann gleichest du der Schlange, deren Zunge zwei Spitzen hat und giftig ist. Du kennst mich nicht und wirst auch nie die Gnade erfahren, daß mein Name an deine Ohren klingt; aber ich sage dir so viel, daß ich ein Mann bin, welcher gewohnt ist, verächtlich auszuspucken, wenn ein räudiger Christenhund ihn anbellt.“
Er spuckte dreimal vor mir aus, und zwar so, daß er mich beim dritten Mal traf. Nun, ich bin ein sehr ruhiger Mensch und pflege mich nicht vom Zorn fortreißen zu lassen; wenn ich einer Beleidigung eine ebenso schnelle, wie kräftig Antwort folgen lasse, so geschieht dies nicht in jäher Aufregung, sondern aus Selbstachtung. Hier nun war nicht bloß ich beleidigt, sondern der Mann hatte das Heiligste, was ein Christ in sich trägt, verhöhnt, und die Art und Weise seines Angriffes ließ keine feine Abwehr, etwa in zierlich gesetzten Worten, zu. Kaum hatte sein Geifer meinen Rock berührt, so saß ihm meine Faust im Gesicht, und er stürzte zu Boden. Er raffte sich schnell auf und griff nach mir, doch schnell hatte Turnerstick ihn beim Nacken, drückte ihn wieder nieder und rief mir zu:
„Charley, holt Polizei! Ich beschlagseisinge indessen dem Kerl die Segel so fest, daß er binnen einer Stunde nicht um einen halben Zoll vorwärts kommen soll.“
Der Dolmetscher war so perplex, daß er sich nicht rührte. Ich zauderte, der Mahnung des Kapitäns Folge zu leisten. Vielleicht hätte ich den Moslem mit der bisherigen Lehre entkommen lassen; aber da näherte sich, gerade wie gerufen, ein Gartenintendant, welcher, als er die ungewöhnliche Gruppe bemerkte, rasch herbeikam und sich nach der Veranlassung erkundigte. Indem Turnerstick mit seinen Seemannsfäusten den Übeltäter noch immer fest am Boden hielt, erzählte ich, was geschehen war. Der Dolmetscher versuchte, zu beschönigen, hatte aber angesichts des umgestürzten Kreuzes keinen Erfolg. Das Ergebnis war, daß wir dem Beamten zum Direktor folgen mußten. Dieser nahm meine und des Kapitäns Aussage entgegen und entließ uns dankend; die beiden andern behielt er bei sich, um sie, wie er sagte, streng zu bestrafen.
Wir befanden uns in der Nähe des Ausganges des Gartens, wo es ein Restaurant gab. Dort setzten wir uns im Freien an einen leeren Tisch, um ein Glas Wein zu trinken. Nach ungefähr einer Viertelstunde sahen wir zu unserem Erstaunen die beiden Schuldigen kommen, frei, mit dem Ausdruck der Befriedigung in den Gesichtern. Sie erblickten uns. Der Muselmann kam herbei, blieb, doch in vorsichtiger Entfernung, vor mir stehen und zischte mich grimmig an:
„Zwanzig Franken Strafe, die schenke ich Frankreich gern; dir aber ist nichts geschenkt! Du hast einen Moslem geschlagen, und kein christliches Kreuz soll dich vor meiner Rache schützen!“
Ich tat, als ob er gar nicht vorhanden sei, und er entfernte sich in stolzer Haltung und mit so würdevollen Schritten, als ob er als Sieger aus dem Konflikt hervorgegangen sei. Als ich Turnerstick die Drohung übersetzt hatte, meinte er:
„Hätte er das mir gesagt, so hätte ich ihn auf der Stelle niedergesegelt. Nun dampft er, stolz wie eine Panzerfregatte, von dannen, und meint wunder, wie wir uns vor ihm fürchten!“
„Nun, Furcht fühle ich nicht; aber vorsichtig müssen wir sein. Wir befinden uns zwar nicht in einem arabischen Duar (Zeltdorf), sondern hier in Marseille, doch so einem Beduinen ist es zuzutrauen, daß er in seinem Grimme darauf keine Rücksicht nimmt. Nach seiner Anschauung ist ein Faustschlag in das Gesicht nur mit Blut abzuwaschen.“
Nach kurzer Zeit brachen wir auf, um uns nach dem Hafen und auf das Schiff zu begeben. Da sahen wir unsere beiden Feinde in einem Durchgang stehen. Sie ließen uns vorüber und folgten uns dann. Wir machten verschiedene Schwenkungen und Umwege, doch es gelang uns nicht, sie von unserer Spur abzubringen. Sie sollten unsern Aufenthalt nicht erfahren. Turnerstick schlug als Mittel zu diesem Zweck vor, nach Schloß If zu rudern. Er hatte zur See in unbeschäftigten Stunden den ‚Grafen von Monte Christo‘ von Dumas gelesen und wünschte das unterirdische Gefängnis des Helden dieses Romanes zu sehen. Es befindet sich auf Schloß If und wird jedermann gegen ein geringes Entgelt gezeigt. Ich mag Dumas' Romane nicht, aber da sich dort auch das Zimmer befindet, in welchem Mirabeau im Jahre 1774
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