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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ein runder Gegenstand, wie ein Menschenkopf, auf der Oberfläche erscheine, aber das mußte eine Täuschung sein. Soweit von der Unglücksstelle konnte nur ein ausgezeichneter Schwimmer sich, ohne Atem zu holen, unter dem Wasser entfernen.
    „Vielleicht steckt er unter seinem Boot“, meinte Turnerstick. „Wollen es umwenden.“
    Wir brachten dies unschwer fertig. Der Verschwundene war nicht zu sehen; aber sein Obergewand, welches er abgelegt gehabt hatte, war an der Riemengabel hängengeblieben; als wir es untersuchten, sahen wir, daß es ein weißer Burnus war. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr, daß wir es wirklich mit dem Moslem zu tun gehabt hatten. Er war uns gefolgt und hatte beobachtet, daß wir nach dem Schloß If gefahren waren. Dies hatte ihn auf den Gedanken gebracht, uns während der Rückfahrt aufzulauern und mir eine Kugel zu geben. Um dabei keinen Zeugen zu haben, hatte er den Dolmetscher nicht mitgenommen. Da er auf ein Mißlingen gefaßt gewesen sein mußte, so ließ sich mit Bestimmtheit sagen, daß er nicht nur ein verwegener Mensch, sondern auch ein sehr guter Schwimmer sei. Vielleicht war der runde Gegenstand, den ich gesehen hatte, doch sein Kopf gewesen.
    Wir blieben wohl eine halbe Stunde auf derselben Stelle. Wir ruderten hin und her, ohne eine Spur von ihm zu finden. Ich hatte gesehen, daß sein Kopf unbedeckt gewesen war. Wo hatte der Mann seinen Turban gelassen? Jedenfalls hatte derselbe mit dem Burnus im Boot gelegen und war untergesunken. Mit diesem Ausgang des Abenteuers unzufrieden, konnte ich gegen Turnerstick den Vorwurf nicht unterdrücken:
    „Warum mußtet Ihr ihn anrammen? Gab es denn keine andere Weise, sich seiner zu bemächtigen?“
    „O doch! Aber wer Pistolen bei sich führt, der hat wahrscheinlich auch ein Messer. Hätten wir nach ihm gegriffen, so wäre er imstande gewesen, nach uns zu stechen. Warf ich ihn aber in das Wasser, so mußte er froh sein, durch unsere Hände herausgezogen zu werden.“
    „Wir brauchten sein Messer nicht zu fürchten. Wäre er von uns an das Ufer getrieben worden, so hätte es dort Polizei und auch sonst Hunderte von Händen gegeben, um ihn festzuhalten.“
    „Das ist richtig; daran habe ich nicht gedacht. Vielleicht bin ich zum Mörder geworden. Das ist keineswegs ein angenehmes Gefühl. Aber wenn ich bedenke, daß er Euch Rache geschworen und dann auf Euch geschossen hat, so meine ich, daß ich mir keine schweren Vorwürfe zu machen brauche. Der Kerl ist in seine eigene Grube gefallen und drin ertrunken.“
    „Messieurs“, ließ sich jetzt der Bootsmann vernehmen, „es ist am besten, wir gehen ans Land und begraben diese Angelegenheit in tiefes Schweigen. Das ist der Rat, den ich Ihnen, auch um meinetwillen, geben muß.“
    Er hatte recht, und wir führten seinen Vorschlag aus. Als wir dann den Port de la Joliette erreichten und die Reihe der hier nebeneinander liegenden Schiffe passierten, kamen wir an einer Brigg vorüber, an deren Seite das Fallreep niederhing. Daran stieg soeben ein langer barhäuptiger Mann empor, dessen dunkle Hose und Jacke sich vor Nässe eng an seinen Leib gelegt hatten.
    „Sollte das unser Mann sein?“ fragte Turnerstick. „Ich habe diese Brigg gestern betrachtet; sie hat zwei Namen, nämlich einen französischen, ‚Le vent‘, und einen, den ich wegen der fremden Schrift nicht lesen konnte. Morgen früh wollen wir uns einmal genauer unterrichten.“
    Aber am andern Morgen war die Brigg in See gegangen. Wir erkundigten uns und erfuhren, daß sie ein tunesisches Schiff sei. Die fremde Schrift hatte arabisch ‚El Hawa‘ gelautet, was ganz dasselbe wie das französische ‚Le vent‘, nämlich ‚der Wind‘ bedeutet. –

II
    Goldene See! Kein anderer Teil des Weltmeeres verdient diese Bezeichnung in dem Grad wie das mittelländische – wenn es nicht, vom Sturm aufgewühlt, seine Wogenkämme auf die nahen Küsten schleudert. Steht die Königin des Tages hoch am Himmel, so liegt die Flut wie reines Himmelblau vor, hinter und neben dem Kiel und ist doch so durchsichtig, daß man bei einem vorübersegelnden Schiff die neue Kupferung emporleuchten sieht. Wenn dann die Sonne sich senkt, so nehmen die Wasser immer hellere, goldenere Töne an, bis bei Sonnenuntergang mächtige mit purpurnen Lichtern vermischte Strahlenbündel, so weit das trunkene Auge reicht, über die leicht gekräuselten Wellen schießen. Dazu ist die Luft so rein, so mild und erfrischend, daß die Lunge tiefer atmet und die Brust des

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