18 - Orangen und Datteln
vernichtet – – –
– – – Vierzehn Tage später hatten wir die Serir durchschritten, und ein wunderbar liebliches Bild breitete sich vor uns aus. Viele tausend Palmen wiegten ihre dunklen Blätterkronen auf den schlanken Stämmen, die vom Sonnenlicht golden überrieselt wurden. Die Füße dieser Stämme standen in einem Garten von blaßroten Pfirsichblüten, weißen Mandelblumen und hellgrünem, frischem Feigenlaub, in welchem der Bülbül (Nachtigall) seine entzückende Stimme erschallen ließ. Es war die Oase Safileh, wohin wir die Kaffilah glücklich brachten.
Mit ihr trennte sich nach einem mehrtägigen Aufenthalt auch der Tebu von uns.
„Allah sei mit dir, Sihdi“, meinte er beim Abschied. „Du hast die Männer der Kaffilah reich gemacht durch die Beute vom El Kasr, selbst aber hast du nichts genommen. Ich habe keine Söhne mehr, aber ich haben einen Segen. Nimm ihn mit dir in das Land der Franken, deren Gott auch der unsere ist: Baid el bela alik, alles Übel sei fern von dir!“ –
– Und wieder mehrere Wochen später hielten wir unsern Einzug in Algier, wo wir von der glücklichen Familie Latréaumont mir unendlicher Freude empfangen wurden. Hassan war uns bis hierher gefolgt, und der Staffelsteiner wollte mich nicht verlassen. Er ging mit mir und Emery, der mir zuliebe seinen ursprünglichen Reiseplan änderte, nach Deutschland, um den ‚lausigen‘ Trank seiner Heimat zu kosten. Für Latréaumont und die Seinen war der Abschied von uns recht schmerzlich, und auch dem tapfern Kubaschi en Nurab zuckte es gewaltig um den Bart.
„Sihdi, du gehst, und wir sehen uns nicht wieder, aber du wirst auch in Germanistan mit Freude und Stolz denken an Hassan-Ben-Abulfeda-Ibn-Haukal al Wardi-Jussuf-Ibn-Abul-Foslan-Ben-Ishak al Duli und ihn stets nennen Hassan el Kebihr und Djezzar-Bei, den Menschenwürger, der dir mit dem Behluwan-Bei geholfen hat, den Assad-Bei und den Hedjahn-Bei zu töten.“
„Und auch ich werd' dich nit vergessen, Hassan“, versprach der Staffelsteiner, „sondern in Germanistan erzählen von Ma-el-Zat-Bei, dem Spirituswürger!“
„Deine Zunge ist voll Gift, und niemand wird dir glauben; denn die Leute in Germanistan werden sagen: ‚Da kommt Jussef-Koh-er-darb-Ben-Koh-er-darb-Ibn-Koh-er-darb-Abu-Koh-er-darb el Kah-el-brunn, der Verleumder, der Ungläubige, der Schakal, der Schweinefleisch ist!‘ Ich verbiete dir, von mir zu sprechen jetzt und in alle Ewigkeit. Wir aber, Sihdi werden voneinander erzählen, und mein Name wird erklingen in allen Oasen und unter allen Zelten von Germanistan. Sallam aaleïkum, Friede und Heil sei mit dir!“ – – –
ZWEITES KAPITEL
Christus oder Mohammed
I
Wenn der Marseillaner Gelegenheit findet, über die Vorzüge und Schönheiten seiner Vaterstadt zu sprechen, so pflegt er zu sagen: „Wenn Paris eine Cannebière hätte, so wäre es ein kleines Marseille.“ Dieser Vergleich ist übertrieben, doch gewiß nicht ohne Berechtigung. Die Cannebière ist die größte und, wenigstens früher, schönste Straße von Marseille, welche die ganze Stadt durchschneidet und auf den Hafen mündet. Der Bewohner der größten Stadt Südfrankreichs besitzt ein volles Recht, auf dieselbe stolz zu sein. Sie hat ein mildes, ein herrliches Klima, ägyptisch klare Nächte und trotz ihrer südlichen Lage eine Luft, welche von ewig gleicher Frische ist. Hier strömen alle Nationen der Erde zusammen, der zugeknöpfte, ernste Inglishman, der feurige Italiener, der smarte Yankee, der listige Grieche, der verschmitzte Armenier, der dickblütige Türke, der wortkarge Araber, der schmächtige Hindu, der zopftragende Chinese und der in allen Farben vom schmutzigen Dunkelbraun bis zum tiefsten Schwarz spielende Bewohner Innerafrikas.
In dem bunten Gemisch von Rassen, Farben, Trachten und Sprachen herrscht hier der orientalische Typus vor; er erteilt Marseille jenes asiatisch-afrikanische Gepräge, welches man in einer andern Hafenstadt Frankreichs vergebens suchen würde. Wer hinüber nach Algier oder Tunis will, der findet hier die beste Gelegenheit, sein Auge auf die Farben und sein Ohr auf die Klänge des andern Erdteiles vorzubereiten.
Was mich betrifft, so hatte ich noch vor kurzem nicht geahnt, daß ich mich so bald am Mittelmeer befinden würde. Mein Freund, der Kapitän Frick Turnerstick, welcher vielen meiner Leser als tüchtiger Seemann und universelles Sprachgenie bekannt sein wird, hatte mich durch folgendes aus Harwich an mich gerichtete
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