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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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eingetretenen Stille deutlich die Schritte zweier Personen, welche sich hinter dem Gebüsch näherten und bei dem Kruzifix stehen blieben.
    „Allah vernichte dieses Land!“ hörte ich den einen in arabischer Sprach sage. „Überall stehen diese Götzenbilder, welche dem wahren Gläubigen ein Greuel sind und vor denen diese Christenhunde die Würde ihrer Häupter entweihen.“
    „Vergiß nicht, daß ich auch ein Christ bin!“ antwortete der andere in derselben Sprache, aber so gebrochen, daß zu vermuten stand, er sei gewöhnt, sich der Lingua franca zu bedienen.
    „Oh“, lautete die Entgegnung, „du besitzest Klugheit genug, diese Abgötterei für verderblich zu halten. Du bist ein Rumi (griechisch-schismatisch) und magst von dem Baba (Papst) nichts wissen, welcher in Roma auf seinem falschen Thron sitzt. Die Lehre des Propheten ist die allein richtige. Er hat alles Bildwerk verboten, und wohin der Islam gedrungen ist, hat er die Bilder und Figuren verbrannt und ausgerottet. Kannst du mir sagen, was unter diesem Kreuz zu lesen steht?“
    „Ja. Ein Panther ist aus dem Käfig gebrochen und hat hier an dieser Stelle einen Beamten des Gartens zerrissen. Darum hat man dieses Kreuz errichtet, damit man für den Toten bete.“
    Der Sprecher hatte, obgleich ein Christ, diese Erklärung in lachendem Ton gegeben. Der Moslem meinte in verächtlichem Ton:
    „O Allah, was für Dummköpfe diese Christen sind! Sie verdienen angespien zu werden. Hat euer Christ den Mann retten können? Nein! Und nachdem derselbe zerrissen worden ist, setzt man ein Kreuz hierher. Das Gebet kommt zu spät; was kann es nützen!“
    „Es ist für das Heil seiner Seele.“
    „Laß dich nicht auslachen! Für die Seele eines toten Christen gibt es kein Heil, denn alle Anhänger dieser Götzendienerei müssen in die Hölle wandern. Wäre ich an der Stelle des Getöteten gewesen, so hätte ich den Namen des Propheten angerufen, und der Panther wäre voller Schreck entwichen. Vor dem Gebet eines Christen aber fürchtet sich keine Katze. Wie machtlos euer Jesus mit samt euern Kreuzen ist, werde ich dir sofort zeigen. Ich will sehen, ob er mich straft, wenn ihm das was ich jetzt tue nicht gefällt.“
    Er stieß noch einige Lästerungen aus, welche ganz unmöglich zu Papier zu bringen sind, und dabei hörte ich ein Prasseln und Knacken, daß ich annahm, er wolle das Kreuz umstürzen. Ich wollte aufspringen, um ihn zu hindern; aber Turnerstick, welcher die Worte nicht verstanden hatte, hielt mich zurück, um eine leise Erklärung derselben zu erhalten. Ich gab sie ihm kurz und schnell und erhob mich dann, aber zu spät; der in der Erde steckende Teil des Schaftes war angefault; er zerbrach, und das starke und wohl fünf Ellen hohe Kruzifix stürzte derart nach unserer Seite herüber, daß es den Kapitän am Kopf traf. Dieser stieß einen Schrei des Schmerzes und des Ärgers aus, sprang auf und folgte mir schnell um die Ecke des Bosquets nach der andern Seite, wo die Männer standen.
    In dem einen erkannte ich infolge seiner Habichtsnase und anderweiten Gesichtsbildung sofort den Armenier. Er trug eine Schaffellmütze, kurze Jacke, weite Hosen und hohe Schaftstiefel; im Gürtel hatte er ein Messer stecken. Der andere war, wie es schien, ein Beduine. Ich schätzte sein Alter gegen fünfzig Jahre. Die lange, starkknochige Gestalt war in einen weißen Burnus gehüllt. Auf dem Kopf saß der rote Fez, um welchen ein Turbantuch von derselben Farbe gewickelt war. Das hagere Gesicht war dasjenige eines starr und blind gläubigen Mohammedaners. Er zeigte sich über unser Erscheinen gar nicht etwa erschrocken, sondern blickte uns mit seinen dunklen, stechenden Augen beinahe höhnisch entgegen.
    „Was fällt Euch ein!“ rief der zornige Kapitän in seinem amerikanischen Englisch. „Wie könnt Ihr es wagen, dieses Kreuz um- und auf mich zu werfen!“
    „Was will dieser Mann?“ fragte der Moslem, indem er sich an seinen Begleiter wendete, welchen er wohl als Dolmetscher bei sich hatte. An Stelle desselben antwortete ich:
    „Du hast soeben etwas getan, was hierzulande streng bestraft wird. Du hast das Bild des Gekreuzigten geschändet, und wenn wir dich bei der Obrigkeit anklagen, wird man dich in das Gefängnis werfen.“
    Er maß mich mit einem vernichtend sein sollenden Blick von Kopf bis zu den Füßen und fragte:
    „Wer bist du, daß du es wagst, in dieser Weise mit mir zu sprechen?“
    „Ein Christ bin ich, und als solcher habe ich die Verpflichtung,

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