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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Schreiben aus meiner häuslichen Ruhe gestört:
    „Liewer Charley! Hier liegge ich vor Anker und werde heute übber quinze jours to weigh anchor, um nach Antwerpen zu seggeln und Euch dort bey Grootvader Leidekker abzuhohlen. Ich faahre übber Marseille ins Thunis und würdte Euch rundum verachten, wenn Ihr at home bliept und nicht would be willing, als myn Gaßt an Bord zu mounten. Lebt wohl, und kommt! Ich expecte Euch mit security.
    Your old Frick Turnerstick.“
    Was sollte ich tun? Zu Hause bleiben und mich ‚rundum verachten‘ lassen? Nein! Es war mir Herzensbedürfnis, den braven Gefährten wiederzusehen, und eine Fahrt nach Tunis und vielleicht noch weiter versprach so viel des Interessanten. Ich beschloß also, der Einladung zu folgen, packte meine Sachen und traf noch vor der angegebenen Zeit in Antwerpen ein. Dort brauchte ich zwei Tage, um den ‚Grootvader Leidekker‘ zu befragen. Er wohnte im nahen Burgerhout und war der Besitzer eines kleinen, aber altrenommierten Gasthauses, in welchem meist nur Seekapitäns zu verkehren pflegten. Am dritten Tag traf Turnerstick dort ein. Seine Freude darüber, daß ich seinen Wunsch erfüllt hatte, war ebenso groß wie aufrichtig; es wurde in Eile ein Willkommen getrunken, und dann zog er mich fort, um mir sein neues Barkschiff ‚the courser‘ zu zeigen. Er hatte es sich nach seinen eigenen Angaben auf dem weltberühmten Klipperplatz von Baltimore bauen lassen und floß des Lobes über, indem er es als den schnellsten Segler der Handelsmarinen aller Nationen bezeichnete. Die Ladung bestand in Waffen und englischen Web- und Eisenwaren, mit denen er in Tunis ein gutes Geschäft zu machen gedachte. In Antwerpen wollte er noch Spitzen, Zwirn und Gold- und Silbertressen aufnehmen, Artikel, welche von den Mauren und Berbern stets gesucht werden. In Marseille sollten Seidenzeuge, Gerbereiartikel, Bijouterien, Quincaillerien, Seifen und Kerzen dazu kommen. Die schon vorher bestellte Fracht war bald an Bord genommen; dann ging es die Wester-Schelde hinab, in die Nordsee hinein und dem Kanal entgegen.
    Turnerstick hatte seinen ‚Courser‘ mit vollstem Recht gelobt. Die Bark war im Verhältnis l zu 8 gebaut und zeigte Linien, welche die Bewunderung jedes Sachverständigen erregen mußten. Der Bau des Schiffes bekundete die Geschicklichkeit des Architekten; die Ausrüstung und Einrichtung war bei aller Zweckmäßigkeit so nett, so gefällig, daß der Kapitän wohl stolz darauf sein konnte, der Schöpfer derselben zu sein. Wir hatten ununterbrochen guten Wind, machten eine außerordentlich schnelle Fahrt und legten zwei volle Tage früher, als Turnerstick vorhergesagt hatte, am Port de la Joliette von Marseille an.
    Während der Kapitän sich hier zunächst seinen Pflichten zu widmen hatte, wanderte ich in der Stadt umher, um die Sehenswürdigkeiten derselben in Augenschein zu nehmen, die neue, prächtige Kathedrale, die gotische Michaeliskirche, das Hotel-Dieu und vor allen Dingen die reichhaltige Bibliothek, welche sich in dem herrlichen Gebäude der Ecole des beaux Arts befindet. Dann, als Turnerstick Zeit gewonnen hatte, besuchten wir miteinander denjenigen Ort, für welchen er sich am meisten interessierte, nämlich den zoologischen Garten, welcher hinter dem prächtigsten Bauwerk Marseilles, dem Château d'Eau oder Palais de Longchamp, liegt.
    Als wir denselben in seiner ganzen Länge und Breite durchschritten und alle Abteilungen in Augenschein genommen hatten, fühlten wir uns ermüdet und suchten eine Bank, um uns auszuruhen. Wir fanden eine solche unter einer Platane, welche sich an der schmalen Zunge eines dichten, länglichen Bosquets erhob. An der anderen Seite desselben erhob sich über den Zweigen des niedrigen Gebüsches ein hölzernes Kreuz mit dem Bild des Heilandes. Die Inschrift einer daran befestigten Tafel sagte, daß an dieser Stelle einer der Wärter von einem ausgebrochenen Panther zerrissen worden sei; hieran war die Bitte geschlossen, für den Verunglückten zu beten. Wir kamen entblößten Hauptes derselben nach und nahmen dann jenseits des Buschwerkes auf der Bank Platz.
    Da wir nicht Sonn-, sondern Wochentag hatten, so war der Besuch des Gartens kein bedeutender, und es kam nur selten jemand an dieser abgelegenen Stelle vorüber. Turnerstick erzählte mir seine neueren Erlebnisse und machte nur einmal eine längere Pause, als er mir eine Zigarre gab und auch sich eine nahm. Während wir dieselben ansteckten, hörten wir infolge der

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