18 - Orangen und Datteln
fragte ich meinen Diener.
„Nach dem Maß der Franken können es fünfundzwanzig Kilometer sein, Sihdi“, antwortete er.
Er war lange Zeit in Algier gewesen, und daher war ihm das französische Maß geläufig.
„Acht Kilometer in gerader Richtung. Wie ich gehört habe, sind dort die Uëlad Sebira auf der Weide. Herr, ich werde die Meinen wiedersehen, den Vater, die Mutter und –“
Er hielt inne.
„Und wen noch?“ fragte ich.
„Sihdi, du hast mich nie gefragt, ob ich eine Bent el Amm (heißt eigentlich Base, wird aber als Höflichkeitsform für ‚Frau‘ gebraucht) habe. Ich weiß, warum du es nicht tatest, aber ich sage dir, daß die Bedawi (Beduinen) es nicht für eine Sünde halten, von ihren Frauen zu sprechen und die Morgenröte ihres Angesichtes sehen zu lassen. Die Frauen und Töchter der Uëlad Sebira haben das Herz der Taube, aber nicht die Augen der Tänzerinnen; sie brauchen ihr Gesicht nicht zu verhüllen.“
„So gibt es also zwei Taubenaugen, deren Blick deine Seele erleuchtet?“
„Ich habe noch kein Weib; aber Scheik Ali en Nurabi hat eine Tochter. Sie heißt Mochallah, die Wohlriechende; ihre Füße sind wie die Füße der Gazelle; ihr Haar gleicht den Locken von Scheherezade; ihre Augen sind wie die Sterne am Himmel; ihre Stimme ist lieblich wie der Gesang des Sandes um Mitternacht, und ihr Gang ist wie der Schritt einer Königin, die durch die Reihen ihrer Sklavinnen wandelt. Allah il Allah – es gibt nur einen Gott, aber es gibt auch nur eine Mochallah! Du wirst sie sehen, Sihdi, und deine Zunge wird mein Glück preisen, mein Glück, welches höher ist als der Himmel, tiefer als die Fluten des Meeres und weiter als die Wüste es Sahar und alle Länder der Erde.“
Er hatte sich erhoben. Sein Auge leuchtete, seine braunen Wangen verdunkelten sich, und seine Hände begleiteten die Rede mit lebhaften Gesten.
„Und Mochallah, die Wohlriechende, wird dein Weib sein?“ erkundigte ich mich.
„Sie wird mein Weib sein. Sie ist die Sonne meiner Tage, der Traum meiner Nächte, der Preis meiner Taten und das Ziel aller meiner Gedanken. Sihdi, ich war arm, aber um sie zu erringen, ging ich fort von den Zelten der Kinder es Sebira. Hamdullillah, Preis sei Gott, der meine Hand und meinen Fuß gesegnet hat! Ich habe mir viele Franken und Piaster verdient; am wohltätigsten aber hat deine Gnade über mir geleuchtet, Effendi, und nun kann ich dem Scheik bezahlen, was er für seine Tochter von mir gefordert hat. Ich bin Achmed el Sallah und werde der Glücklichste der Sterblichen sein – insch' Allah, wenn es Gott gefällt!“
„Allah kerihm – Gott ist gnädig, doch die Schicksale des Menschen sind im Buch aufgezeichnet. Möge der Baum deines Lebens duften wie die Blume el Mochallah, die deine Seele bezaubert hat!“
„Effendi, der Baum meines Lebens wird sein wie der Baum des Paradieses, der ewig Blüten und Früchte trägt, und aus dessen Wurzeln tausend kühle Quellen strömen. Da drüben erhebt sich der lange Kamm des Dschebel hemormta Wergra, bis an dessen Fuß die Herden meiner Brüder weiden. Laß uns aufbrechen, damit ich keinen Tropfen verliere von dem Meer der Seligkeit, dessen Fluten ich bereits rauschen höre!“
„Sollen wir die Pferde nicht noch länger ruhen lassen, Achmed?“
„Die Pferde, Sihdi? War dein Rapphengst nicht das beste Pferd unter den Arab el Haddedihn zwischen den Flüssen Phrat und Tigris? Wird er nicht ‚Rih‘ (Wind) genannt, weil er schneller noch und unermüdlicher ist als der Sturm, der von den Bergen des Aures braust? Ist meine Fuchsstute nicht im Wadi Serrat geboren; welches berühmt ist wegen seiner Tiere, die niemals ermatten? Wir könnten heut noch Kef erreichen, trotz der Berge und Flüsse, welche zwischen dort und hier zu finden sind.“
„Gut, so wollen wir aufsitzen!“
Er hatte recht. Was mein Pferd betrifft, so hätte ich es gegen kein Tier der Welt vertauscht, und das seinige war eines der besten, die ich jemals gesehen hatte. Auch er selbst war ein Mann, über den man sich nur freuen mußte. Von zwar nur mittlerer, aber kräftiger und herrlich ebenmäßiger Gestalt, sah er in seinem weißen Haïk, mit dem wehenden Turbantuch und den messingbeschlagenen Waffen aus wie eine Gestalt aus den Zeiten Saladin des Großen. Dabei war er treu, ehrlich, wahr und offen, abgehärtet gegen alle Mühen und Entbehrungen und unerschrocken in jeder Gefahr, fast möchte ich sagen, verwegen. Ferner sprach er nicht nur alle landläufigen
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