18 - Orangen und Datteln
du, wer ich bin?“
„Der Besitzer eines ungeschickten Falken bist du, weiter nichts!“
„Dieser Kerl macht meinen Falken schlecht“, rief der Mann. „Allah istaffer – Gott mag es ihm vergeben! Wirst du gleich von deinem Pferd steigen und mir Abbitte tun!“
„Allah kerihm – Gott ist gnädig; er mag deine Gedanken lenken, damit du dich nicht lächerlich machst. Bist du vielleicht Mohammed es Sadak Bei, der Herrscher von Tunis, oder gar der Sultan von Stambul, daß du von mir verlangst, um Verzeihung zu bitten?“
„Ich bin weder der Sultan noch der Bei von Tunis, den Allah segnen möge, aber ich bin sein Apha el harass, der Oberste seiner Leibgarde. Herunter vom Pferd, wenn du nicht die Bastonade schmecken willst!“
Ich zog in höchster Überraschung mein Pferd zurück.
„Allah akbar – Gott ist groß! Bist du wirklich der Bei el mamluk des Beherrschers von Tunis?“
„Ich sage es!“ antwortete er stolz.
Welch ein Zusammentreffen! Dieser Mann also war ‚Krüger-Bei‘, der originelle Anführer der tunesischen Leibscharen! Ich hatte oft, sehr oft von ihm sprechen gehört. Er war keineswegs ein Afrikaner, sondern er stammte als der Sohn eines Bierbrauers aus der ‚Streusandbüchse des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation‘. Sein Kismet hatte ihn im Anfang der dreißiger Jahre nach Tunis verschlagen, wo er zum Islam übertrat. Dadurch erwarb er sich die Gnade des Propheten und aller heiligen Kalifen in der Weise, daß er von Stufe zu Stufe und endlich gar die ehrenvolle Aufgabe erhielt, an der Spitze der Leibmameluken das teure Leben Mohammed es Sadak Paschas zu beschützen. Aber das verleugnete Vaterland schwur ihm Rache. Es sandte nicht etwa, wie Griechenland es vielleicht getan hätte, drei Erinnyen über ihn, sondern es ließ volle fünf unermüdliche Rachegötter über ihn herfallen, und deren Namen lautete Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ und Syntax. Er hatte das Deutsche nie anders als im Brandenburger Dialekt sprechen können, drüben in Afrika kamen ihm die Regeln seiner Muttersprache nach und nach abhanden, und wenn er sich ihrer nun einmal bedienen wollte, so eilten sofort die genannten fünf Rächer herbei, um sich seiner zu bemächtigen und ihn in ihrem grammatischen Höllenfeuer schwitzen und schmoren zu lassen.
Hiervon sollte ich jetzt gleich ein Beispiel erleben. Wir hatten bisher arabisch gesprochen, nun aber machte ich meiner Überraschung in deutschen Worten Luft: „Sapperlot, Herr Oberst, hätte ich das gewußt, so wäre unsere Unterhaltung etwas manierlicher ausgefallen – – –!“
Er riß die Augen auf und öffnete den Mund sperrangelweit. Ich ahnte, daß jetzt Nominativ nebst Dativ und Konsorten in ihm zu rumoren beginnen würden.
„Maschallah, Dunderwetter! Du bist wohl – – – ach so, hätte ich mir doch bald versprochen! Ihnen sind wohl jar ein Deutscher?“
„Allerdings.“
„Allah, wallah, billah, tillah – heiliges Pech, dat ist doch eigentlich janz und jar unmöglich!“
„Warum?“
„Deswegen – weil – insofern – – – na, Allah ist jroß, er führt die Seinigen und auch die Ihrigen oft wunderbar und herrlich hinaus. Wat wollen Sie denn hier im Tunis, he?“
„Nichts weiter, als alte Erinnerungen auffrischen und dabei Land und Leute eingehender kennenlernen, als es früher möglich war.“
„Alte Erinnerungen – Land und Leute –? Haben Sie denn früher schon 'mal hier jewesen?“
„Ja.“
„Wo?“
„Weiter im Süden, an den Schotts. Ich ging damals nach Tripolis, Barka und Ägypten.“
„Tripolis – Barka – Ägypten –? Wallahi, tallahi, Schock Batailljon, dat ist weiter als ein Spaziergang von Berlin nach Köpenick! Und wo sind Ihnen nun heute hergekommen?“
„Ich komme über den Dschebel – – –“
Die Rede blieb mir auf der Zunge liegen. Mein Auge war auf das Angesicht des Mannes gefallen, welcher abgestiegen war und sich mit dem toten Falken zu schaffen gemacht hatte. Jetzt wandte er sich zu uns und kam herbei. Wo hatte ich diesen ewig langen, und zum Zerbrechen hageren Menschen nur schon gesehen? War dies wirklich Lord David Percy, der eigentümliche, originelle Sohn des Earl von Forfax? Auch er blieb stehen und blickte höchst erstaunt zu mir herauf.
„Good luck! Seid Ihr's, oder seid Ihr es nicht, old Rifleman?“ fragte er.
„Lord Percy, ist's wahr!“
„Egad!“ nickte er. „Welcome amidst this tedious part of the world – willkommen mitten in diesem
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