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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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eigene Leben zu tun.
    Jetzt machte Kalada noch einen Versuch, ob das Tier sich das Kind nehmen lassen werde. Sie streckte, ohne sich zu erheben, den Arm nach demselben aus; der Panther aber knurrte und zog mit der Vorderpranke den Knaben näher zu sich heran. Er schien ihn als sein Eigentum zu betrachten. Das trieb die Angst der Eltern auf den höchsten Punkt.
    „O Mohammed, o Prophet der Propheten, rette, hilf, erbarme dich!“ rief der Henker. „Jesus, du Heiland der Welt, erbarme dich!“ betete Kalada. „Heilige Mutter des Erlösers, bitte für mein Kind!“
    „O Mohammed, o Mohammed!“ wiederholte der Vater. „O Abubekr, o Ali, ihr großen Kalifen! O Mohammed, rette, wenn du kannst!“
    „Er kann es nicht!“ weinte die bebende Frau.
    „Etwa Isa, dein Christ?“ fragte er halb höhnisch und halb hoffnungsvoll.
    „Ja, der kann es!“
    „So laß uns sehen! Ich werde an den glauben, welcher Rettung bringt.“
    Es war gar nicht anders zu denken, als daß meine Kugel die Entscheidung bringen mußte. Nur fragte es sich, in welchem Augenblick das Ungetüm sich aufrichten werde, denn nur dann war ich meiner Kugel sicher. Ich hatte den Löwen und auch den schwarzen Panther schon des Nachts erlegt, war meines Gewehres vollständig sicher und glaubte, keinen Fehlschuß zu tun.
    „O Mohammed, du Herr der Propheten, höre mich!“ bat der Henker mit zitternder Stimme. Er hatte sein Kind wirklich lieb, und es war mir, als ob ich seine Zähne klappern hörte. „Gib mir meinen Sohn, oder deine ganze Lehre ist eitel!“
    Er wartete eine Weile, und als nichts erfolgte, forderte er seine Frau auf:
    „Sage mir die Worte vor!“
    „Bete folgendermaßen!“ antwortete sie, indem sie ihm die Worte auf die Zunge legte.
    Grad jetzt war das Kind aus seiner Betäubung erwacht und es hörte die Mutter sagen: Bete folgendermaßen! Diese Aufforderung hatte es oft vernommen und befolgt, und so begann es sein ‚Ja abana Iledsi‘, das Vaterunser, laut herzusagen. Also beteten drei Stimmen. Der Panther war noch immer mit Fressen beschäftigt; die Stimmen der andern hatten ihn nicht gestört; als er aber neben sich die feine, klare Stimme des Knäbleins hörte, hob er sich vorn in sitzende Stellung empor und begann, mit geschlossenen Augen zu heulen. Mein Gewehr lag an; kaum öffnete er das Auge, und ich erblickte die grüngelbe Glut desselben, so krachte mein Schuß, den das Gewölbe hundertfach wiedergab. Das Tier flog, als hätte es einen schweren Schlag vor den Kopf erhalten, zur Seite, von dem Kind weg. Im Nu stürzten Vater und Mutter hin und rissen den Knaben, welcher vollständig unverletzt war, an sich. Der Panther wälzte sich noch zwei-, dreimal hin und her, streckte dann die Glieder und verendete.
    Welch ein Jubel brach nun los! Niemand dachte daran, daß ein Schuß gefallen war, daß dieser nur aus einem Gewehr hatte kommen können und daß dasselbe einen Besitzer haben müsse. Die Mutter war die erste, welche darauf zu sprechen kam; der Vater untersuchte das Raubtier und fand, daß die Kugel in das rechte Auge gedrungen war.
    „Aber, wer hat geschossen?“ fragte er.
    „Ich weiß, ich weiß, ich ahne es!“ rief sie. „Der fremde Effendi ist's gewesen, denn er wollte mir helfen.“
    „Welcher Effendi?“
    „Ich werde ihn dir zeigen. Die Kugel kann nur von dahinten hergekommen sein, und dort muß er sich befinden. Ich suche ihn.“
    Nun, Frick Turnerstick sorgte schon dafür, daß wir leicht gefunden wurden. Wie betroffen aber war der Henker! Er wußte nicht, was er sagen sollte. Ich nahm ihn beim Arm und fragte:
    „Wirst du mir jetzt auch noch nach dem Leben trachten?“
    „Nein, nein, bei Allah, nein!“ stammelte er. „Ich wollte dich töten, und du errettest mein Kind! Wie soll ich dir danken!?“
    „Danke nicht mir, sondern Gott, und frage dich, ob ein Moslem ebenso schnell vergibt wie ein Christ. Wird dein Weib nun beten dürfen, wie ihr Herz es ihr befiehlt?“
    „Ja, sie darf, und ich – ich bete mit, denn unser Prophet hat meine Stimme nicht hören wollen.“
    Der erst so abstoßende Mann umarmte mich; sein Weib reichte mir die Hand, ohne daß er finster dazu blickte, und der kleine Asmar mußte mir das Mäulchen zum Kusse geben.
    Der Eindruck, den die Errettung seines Kindes auf den Henker gemacht hatte, schien ein nachhaltiger zu sein, denn er erklärte, auf die Reise nach Keruan verzichten und lieber nach Sfaks umkehren zu wollen, worüber niemand mehr als Kalada sich freute.
    Wir brachen auf

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