18 - Orangen und Datteln
hatten wir den Mund und die Nase voller Salz. Wir mußten niesen und husten. Den Pferden erging es ebenso, sie wollten durchgehen. Man konnte kaum zehn Schritte weit sehen; doch kannte ich die Lage der Höhle genau. Nach fünf Minuten hatten wir sie erreicht.
Ihr Eingang war schmal, bald aber erweiterte sie sich zu einem wohl fünfzig Fuß ins Geviert messenden Raum, um sich dann so zu verengen, daß derjenige, der sie nicht genau untersuchte, leicht glauben konnte, daß sie nicht weiterführe. Aber es gab da einen Spalt, durch welchen sich sogar ein Pferd zu drängen vermochte; wer da hindurch war, befand sich in einer hohen, domartigen Wölbung. Dort drangen wir ein, da wir so weit hinten ganz sicher vor dem Salz waren.
Kaum hatten wir es uns bequem gemacht, so sahen wir andere Geschöpfe kommen, welche hier ebenso Rettung suchten, nämlich einige Schakale. Es kamen nach und nach noch mehrere, sogar zwei Hyänen. Die Angst hatte sie friedfertig gemacht; sie vertrugen sich. Durch unsere Spalte blickend, sahen wir das Salz in dicken Schwaden vor dem Eingang vorüberstreichen. Wehe dem, der gezwungen war, das Ende des Sturmes abzuwarten!
Da war es mir, als ob ich inmitten ununterbrochenen Sausens den Schrei einer Kinderstimme gehört hätte. Ja, wirklich, jetzt wieder! Es kam näher. Jetzt hielten draußen zwei Kamele, welche von drei Männern gehalten wurden. Erst stieg der Henker ab und dann seine Frau mit dem weinenden Kind. Alle flüchteten sich herein, sogar die Kamele. Die Schakale und zwei Hyänen aber schossen furchtsam in das Unwetter hinaus.
Die Gesellschaft nahm in der vorderen Höhle Platz; von dem Dasein einer zweiten schien keiner etwas zu wissen. Wir verhielten uns still, da wir gern beobachten wollten.
Das Kind weinte noch immer, die Mutter suchte es zu beruhigen. Der Mann meinte höhnisch: „Nun, so bete doch zu deinem Jesus, daß er dem Salz verbiete, sich zu erheben! Wird er helfen können. Dein Glaube ist –“
Das Wort blieb ihm im Munde stecken, und auch mir schlug in diesem Augenblick das Herz, denn vor dem Eingang erschien wieder ein Tier, welches Schutz in der Höhle suchte, nämlich ein riesiger schwarzer Panther. Die Zunge hing ihm weit aus dem Hals, so war er gehetzt worden. Vielleicht war er das Tier, von welchem die Selass-Beduinen erzählt hatten, und vielleicht kannte er die Höhle. Er trat furchtlos herein, hustend und pfauchend. Kaum waren ihm die Augen frei vom Salz geworden, so tat er einen Sprung auf das eine Kamel, zerschlug ihm mit der Pranke den Halswirbel und riß ihm die Gurgel auf. Dann begann er, sich um die anwesenden Menschen gar nicht bekümmernd, seinen Raub zu verzehren. Das Knacken und Prasseln der Knochen klang entsetzlich zu uns herüber.
„Schießen wir?“ fragte Turnerstick leise.
„Nein“, antwortete ich. „Ein Fehlschuß würde viel Blut kosten. Warten wir es ab!“
Die fünf Menschen da vorn saßen lautlos und unbeweglich vor Angst. Die Mutter hielt ihr Kind in den Armen. Der Henker machte den Versuch, seinen Platz zu verlassen, aber sofort erhob das Tier den Kopf und brüllte zornig; er blieb sitzen. Die Leute waren gefangen und konnten sich nicht wehren. Die drei Diener hatte keine Gewehre, und dasjenige des Henkers lag weit zur Seite.
Jetzt legte ich mich auf den linken Ellbogen nieder und versuchte zu zielen. Es war eine schwere Sache, denn es dunkelte hier in der Tiefe, und das Tier mußte unbedingt in das Auge getroffen werden.
Eine Hyäne kam hereingeschossen; sie stürzte beinahe über den Panther weg und flog sofort wieder hinaus. Darob erzürnt, ließ das gewaltige Tier ein Gebrüll ertönen, daß die Wände zu zittern schienen. Das war für die Nerven Kaladas zu viel. Sie öffnete unwillkürlich die Arme, um sich die Ohren zuzuhalten – das Kind rollte von ihrem Schoß herab und zu dem Panther hin. Ein vielfacher Schrei erscholl, sogar auch mit von meinen Lippen.
Die nun folgende Szene läßt sich nicht beschreiben. Zum größten Glück war der Knabe vor Entsetzen ohnmächtig geworden.
„Allah, o Allah, hilf, hilf!“ stöhnte der Vater. Es schien, daß das Sprechen dem Panther gar nicht störend sei.
Die Mutter hatte ihr Gesicht in die Hände gehüllt. Der Vater saß leichenblaß, ein Bild der entsetzlichsten Ratlosigkeit, da. „O Allah, Allah, hilf! O Mohammed, du Glänzender, sende Rettung! O ihr heiligen Kalifen, tröstet mich!“ so hörte man ihn wimmern. Die Diener verhielten sich ganz still; ihnen war es nur um das
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