18 - Orangen und Datteln
zum Land der Kurden und Perser; ich war in Ländern und bei Völkern, deren Name du noch niemals gehört hast, aber nie habe ich einen Scheik getroffen, der die Wange seines Gastes schamrot machte. Ich weiß, daß mein Rappe deinen Schimmel besiegt, dennoch habe ich auf die Wette verzichtet, weil ich unter deinem Dach wohne. Und du? Ich gehe von hier in das Land der Kramemssa, Segrelma, Mescheer und Neschaima; sogar über den großen Schott werde ich gehen, um die Kinder der Merasig noch einmal zu besuchen. Was soll ich ihnen allen sagen, wenn sie mich fragen nach dem Scheik Ali en Nurabi vom Ferkah Uëlad Sebira? Ich muß ihnen erzählen, daß du deine Gäste beschimpfst, daß du mich einen Giaur (Ungläubigen) nennst, obgleich ich bereits heut el Asr und auch el Mogreb mit dir gebetet habe. Du nennst mich einen Giaur, weil ich zu Isa Ben Marrjam (Jesus, der Sohn Marien) bete. Was aber sagt der Prophet von ihm? Sagen nicht selbst die Heiligen und Lehrer des Islam, daß Isa Ben Marrjam am jüngsten Tag herniederfahren werde auf die Moschia der Ommijaden in Damaskus, um Gericht zu halten über alle Toten und Lebendigen? Warum also nennst du den, der zu ihm betet, einen Ungläubigen? Antworte mir, Scheik Ali en Nurabi!“
Ich merkte ihm die große Verlegenheit an, in welche ihn meine Worte gebracht hatten.
„Wer hat dir gesagt, daß ich dich einen Giaur genannt haben soll?“ fragte er mich nach einigem Schweigen.
„Warum fragst du, da du doch genau weißt, daß du es getan hast? Siehe, hier an meinem Hals hängt das heilige Buch; ich bin ein Hafizh, einer, der den Koran auswendig kann. Sage, ob man mich einen Giaur nennen darf!“
„Nein; du bist kein Kafir, kein Giaur!“
„Warum zürnst du dann Achmed es Sallah meinetwegen?“
„Nicht deinetwegen zürne ich ihm, sondern weil er das Duar verlassen hat, um in die Städte zu gehen.“
„Du selbst triebst ihn ja fort! Er ging, um sich den Preis für Mochallah zu verdienen. Oder hältst du es für eine Sünde, die Heimat zu verlassen? Sagt nicht selbst der Prophet: ‚Du siehst den Wanderer durch die Länder ziehen, und Allah ist mit ihm. Auch siehst du Schiffe die Wellen durchschneiden, damit ihr von dem Überfluß Gottes Reichtümer erlangt und ihm dafür dankbar seid!‘ Ist es also gegen den Willen des Propheten, daß Achmed sein Duar verlassen hat?“
„Nein.“
„Warum also zürnst du ihm?“
„Ich zürne ihm nicht.“
„Warum verweigerst du ihm Mochallah, die Seele seines Lebens?“
Er fühlte sich in die Enge getrieben und antwortete zaudernd: „Ich bin ein Scheik, und er ist nur ein Krieger.“
„Allah schütze deine Gedanken! Will Achmed denn dich zum Weibe haben? Er will Mochallah, deine Tochter, und diese ist doch nicht ein Scheik! Gott kann erhöhen und kann stürzen. Achmed ist tapfer, treu, wahr, fromm und klug; ich will heute nicht weiter davon sprechen! Denke darüber nach, o Scheik, so wirst du erkennen, daß er es wert ist, die Blume der Uëlad Sebira zu besitzen.“
Das Gespräch verstummte nun. Wir umritten das Lager in einem weiten Bogen und kamen zur Zeit des Aschia (Abendgebet) wieder zurück. Dann wurde ein kleines Nachtmahl eingenommen, worauf man inmitten des Duar ein prächtiges Feuer anzündete, um welches sich die Männer versammelten, um bei dampfenden Tabakspfeifen die alten Hikkajah (Märchen) zum tausendsten Mal anzuhören oder den Aghani (Gesänge) zu lauschen, welche zu den anspruchslosen Klängen der Rababah (einsaitige Zither) vorgetragen wurden. Eine Stunde vor Mitternacht ging man zur Ruhe.
Im Zelt des Scheik wurden Decken ausgebreitet, um uns gegen die bekannte nächtliche Kälte jener am Tage so heißen Gegenden zu schützen.
„Schlaft ruhig und sicher unter meinem Dach“, meinte Ali en Nurabi. „Allah sei mit euch. Leilkum saaide – gesegnete Nacht!“
Einige Augenblicke später schnarchte er bereits in allen Tönen der chromatischen Tonleiter. Krüger-Bei folgte nach und auch der Engländer war bald eingeschlafen, wie seine langen, halblauten Atemzüge zu erkennen gaben. Ich steckte meine Revolver zu mir, erhob mich von dem Lager und schlich mich aus dem Zelt.
Im Lager herrschte eine lautlose Stille. Von fern her hörte ich das tiefe, hastende ‚Ommu-ommu‘ einer Hyäne, worauf das helle ‚J-a-u‘ eines Schakals antwortete, und etwas näher ließ ein neugieriger Fennek sein kurzes Gekläff erschallen. Ich fand Achmed an demselben Ort wieder. Er lag zwischen meinem und seinem Pferd, deren
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