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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Leinen er sich um den Leib geschlungen hatte.
    „Hamdullillah – Preis sei Gott, daß du kommst!“ begrüßte er mich. „Ich habe auf dich gewartet wie die Nacht auf den Tau.“
    „Warum? Hast du so notwendig? Mitternacht ist noch nicht da.“
    „Nein. Aber Mochallah, die Krone der Töchter, ist bereits da. Sie wartet bereits dort bei den Palmen. Sie kam eine Minute vor dir hier vorüber.“
    „Eine Minute? Eine ganze Minute? Schrecklich! Nun wundre ich mich nicht, daß du auf mich gewartet hast wie die Nacht auf den Tau.“
    „Sihdi, du hast bereits mit dem Scheik gesprochen?“
    „Ja.“
    „Was sagt er?“
    „Nichts. Doch davon können wir später reden. Eile jetzt, damit die ‚Krone der Töchter‘ nicht zornig auf dich werde!“
    „Effendi, zuvor muß ich dir etwas sagen.“
    „Was?“
    „Als der Abend hereinbrach, hörte ich da unten in dem Szemt- und Loz-Gebüsch (Akazien und Mandeln) den Bülbül (Nachtigall) singen, und weil ich ihn gern höre, ging ich näher. Ich stand mit den Pferden zwischen den Sträuchern. Da sah ich einen Mann vorüberhuschen, der kein anderer gewesen ist als Saadis el Chabir.“
    „Du hast ihn genau erkannt?“
    „Genau.“
    „Hat er dich gesehen?“
    „Nein.“
    „Du meinst, daß er entflohen ist?“
    „Nein, denn er hat geschworen zu bleiben.“
    „So wäre sein Ausgang ja gar nicht verdächtig. Im Duar mag keiner etwas von ihm wissen; so treibt ihn die Langeweile hinaus in das Freie.“
    „Herr, glaube dies nicht! Dieser Krumir ist gefährlicher und giftiger als Assaleh (gefährlichste Schlange der Wüste), die Todbringende.“
    „Ich stimme dir vollständig bei. Ist er wieder in das Duar zurück?“
    „Ich weiß es nicht, denn ich mußte wieder nach hier zurück, um von dir gefunden zu werden.“
    „So gehe jetzt. Wenn ich etwas für euch Störendes vernehme, so werde ich den leisen Laut eines Hedsch (Weihe, Falco rufus L.) ausstoßen, der im Schlaf gestört wird.“
    „Wie lange wirst du Geduld mit uns haben, Sihdi?“
    „Solange, bis Mochallah den letzten deiner Küsse erhalten hat. Allah kerihm – Gott ist gnädig, aber gegen mich nicht, denn er hat mir keine einzige Mochallah geschenkt.“
    „Effendi, du wirst noch sehr viele bekommen, denn ich werde deinen Namen verbreiten in alle Länder der Erde; darauf kannst du dich verlassen!“
    Er schlich sich davon zur ‚Wohlriechenden‘, und ich, sein Herr und Gebieter, sein Sihdi und Effendi, mußte für ihn bei den Pferden zurückbleiben. O Schicksal, war das recht von dir? Ich hüllte mich in meinen Haïk und lehnte mich an den warmen Leib meines Pferdes! Dieses lauschte lautlos den Suren des Koran, die ich ihm leise in das Ohr rezitierte, eine Gewohnheit, die sein früherer Besitzer mir vererbt hatte und die sich auch für mich sehr nützlich erwies. Der feurige, windesschnelle Rappe erkannte sicher keinen Menschen als Herrn an, der ihm nicht des Abends in dieser Weise in das Ohr flüsterte. Auch dies war ein Teil des ‚Geheimnisses‘ meines Pferdes.
    Da drüben unter den Palmen wurden gewiß keine Suren geflüstert, aber ich war nicht neidisch auf den braven Achmed es Sallah. Über mir wölbte sich der tiefblaue Himmel des Südens mit den glänzenden Funken der Schlange, des Schützen, des Skorpions und des Wolfes; diese Sterne waren gewiß ebenso zauberisch wie diejenigen zwei, in deren liebevolles Licht jetzt mein Diener sich sicher ganz ohne Fernrohr und Perspektiv versenkte.
    Ich wartete eine halbe Stunde – eine ganze – noch eine halbe – und abermals eine halbe – Mochallah, wo bleibt der letzte Kuß, bis zu dem ich zu warten versprochen hatte! Eben wollte ich, nur um meines Wächteramtes quitt zu werden, das vorhin vereinbarte Zeichen geben, als sich rechts neben mir ein leises Geräusch vernehmen ließ. Ich legte das Ohr fest auf die Erde; ich konnte mich auf mein Gehör verlassen; es war in den Prärien Nordamerikas zur Genüge geübt worden – ich hörte Schritte, die sich vorsichtig von der Palmengruppe her näherten und die Richtung nach den Zelten einzuhalten schien. War es Mochallah? Ich zweifelte daran. Schnell schälte ich mich aus meinem weißen Burnus und dem ebenso hellen Mahrahmeh (Kopftuch), so daß ich nun in der dunkelblauen, türkischen Hose und Jacke nicht von dem Erdboden zu unterscheiden war, legte mich platt nieder und kroch nach Indianerart der Gegend zu, in welcher ich die Schritte gehört hatte.
    Eine Gestalt wand sich vorsichtig zwischen den Zelten

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