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18

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Titel: 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Luengen
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Heckklappe und Türen geschlossen.
    Der See war ein stillgelegtes riesiges Baggerloch, wo bis vor einigen Jahren Kies abgebaut worden war. Dann nahmen sie die Bagger wieder mit, und an den schmalen Sandstränden bildeten sich so etwas wie Treffpunkte. Es gab auch den ein oder anderen Kiosk. Der See hatte insgesamt die Form eines leicht schiefen U’s. Unser Strand lag in dem kleineren Endstück, das gerade so breit war, dass ein durchschnittlicher Schwimmer es mühelos queren konnte. Onkel Hank und ich schwammen immer zum gegenüberliegenden Ufer und zurück. Onkel Hank schwamm schneller als ich, und er lag für gewöhnlich am Strand und ließ sich von der Sonne trocknen, bis ich eintraf. Diesmal stand er schon fix und fertig angezogen neben dem Wagen.
    „Schlappschwanz“, sagte er, als ich aus dem Wasser stieg. Er lachte.
    „Wir machen eine Party. Heute Abend. Hier“, sagte ich beim Anziehen.
    „Heute sind wir alle emotional“ erwiderte er. Scheinbar hatte Onkel Hank nichts von dem Mädchen gesehen. Es hätte ihn auch nicht interessiert. Er hatte Iris, und die Sache mit ihr war felsenfest. Ich hätte gerne mit ihm über das Ganze geredet, nicht nur über dieses Mädchen am Strand, sondern über das Ganze an sich, doch es war nicht gerade mein Lieblingsthema, weil mir die tieferen Kenntnisse fehlten, und das philosophische Drumherum konnte ich auch nicht leiden. Onkel Hank ebenfalls nicht, doch er hatte bereits die tieferen Kenntnisse. Dann braucht man das philosophische Drumherum nicht mehr.
    „Wie lange bist du schon mit Iris zusammen?“, fragte ich auf der Heimfahrt.
    „Keine Ahnung. Warum fragst du?“
    „Ist es langweilig geworden ... mit der Zeit?“
    „Meinst du, ich wäre mit ihr zusammen, wenn es langweilig wäre?“
    „Schon gut.“
    „Es ist gut. Es ist nicht der siebte Himmel, aber der sechste, und das ist mehr als ein Mensch alleine auf dieser Welt erreichen kann. Den Himmel und die Hölle gibt's nur zu zweit, ok?“ Und dann, nach einer Weile nochmals: „Ok?!“
    „Ja. Ok“, sagte ich leise.
    Ich hielt vor dem Haus seiner Eltern.
    „Der Himmel steht allen offen. Du holst nachher die Leute ab.“ Er boxte mich leicht und schlappte in Adiletten zum Haus, seine Sachen hatte er über die Schulter geworfen. Ich setzte meine Sonnenbrille auf und fuhr nach Hause.

 
    Meine Eltern waren nicht da. Ich hinterließ eine Nachricht, dass alles in Ordnung sei. Sie würden sich trotzdem Sorgen machen. Doch vielleicht zeigte diese Sorgenmacherei auch einfach, dass wir noch eine intakte Familie waren. Ich schrieb auf den Zettel, dass sie sich keine Sorgen machen brauchten.
    Ich stieg wieder ins Auto, drückte die Springsteen-Kassette in den Rekorder, setzte wieder meine Sonnenbrille auf und machte mich auf den Weg. Auf der Promenade sah ich Wiebke. Ich hupte zweimal kurz, sie drehte sich um. Ich hielt neben ihr, beugte mich zur Beifahrertür und öffnete sie von innen.
    „Tag, Semme“, sagte sie, und beugte sich in den Wagen.
    „Ich sammele die Leute ein für eine kleine Party heute Abend am See.“
    „Na wunderbar.“ Sie ließ sich in den Sitz fallen. Ich fuhr mit ihr langsam die Promenade entlang. Wiebke war nett. Wiebke war hübsch. Wiebke war sportlich. Wiebke hatte einen Pferdeschwanz und trug weite Baumwollhosen und Segeltuchschuhe und ein Shirt, und Wiebke hatte keinen festen Freund. Ich hatte nie eine besonders innige Beziehung zu Wiebke gehabt. Ich wusste nicht, wieso ich keine innige Beziehung zu ihr hatte. Ich wusste auch nicht, ob es wichtig war, sich darüber im Klaren zu sein, ob man zu einem Mädchen neben sich auf dem Autositz eine besonders innige Beziehung hat oder nicht. Ich überlegte, ob es mir peinlich wäre, jetzt ihr zu begegnen. Ich schloss kurz die Augen und entspannte mich etwas.
    „Wo fahren wir hin?“, fragte Wiebke, als wir scharf abbogen.
    „Zu Iris“, sagte ich. Die Sonnenbrille konnte ich mittlerweile ins Handschuhfach stecken. Ich hielt vor dem Haus von Iris' Eltern, sah in den Rückspiegel, versuchte meine Haare in eine annehmbare Form zu bringen, doch das war aussichtslos nach dem Schwimmen.
    „Du bist schön genug“, sagte Wiebke.
    „Ich hasse David Bowie“, sagte ich und hupte kurz. „Die ständige Sorge, zufällig Haare wie David Bowie zu bekommen.“
    Iris schaute aus dem Fenster, ich hob den Arm und winkte. Sie verschwand, erschien kurz darauf in der Türe, kam über die Straße zu uns gelaufen. Sie stieg hinten ein, und ich fuhr los. Ich hatte nie

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